: Immer noch jwd
STADTENTWICKLUNG Verdrängung oder frischer Wind – bei einer Diskussionsrunde zu Oberschöneweide verweist Stadtforscher Holm auf Gentrifizierungswellen, Regionalmanager würdigt die Ruhe vor Ort
Seit bekannt wurde, dass der kanadische Rockstar Bryan Adams in Oberschöneweide eine Halle gekauft hat, steht im Südosten Berlins das G-Wort im Raum. Droht dem ehemaligen Industriestandort die Gentrifizierung? Oder kommt endlich frischer Wind nach Oberschöneweide? Das war auch das Thema einer Podiumsrunde am Mittwochabend, zu der das Zentrum für Demokratie unter anderem den Stadtsoziologen Andrej Holm eingeladen hat.
Und siehe da, Holm gab Entwarnung. „Es gibt derzeit keinen Anhaltspunkt dafür, dass in Oberschöneweide mehr Grundstücke verkauft und gekauft werden als sonst.“ Auch eine neue Modernisierungswelle sei nicht zu befürchten. „Im Sanierungsgebiet wurden die meisten Wohnungen bereits modernisiert“, so Holm.
Um die moderaten Mieten weiterhin bezahlbar zu halten, forderte er bei der Diskussion den Stadtentwicklungsstadtrat Rainer Hölmer (SPD) aber auf, auch in Oberschöneweide eine Erhaltungssatzung auszuweisen. „Damit kann man dann auch Luxusmodernisierungen verhindern.“
Ohnehin sei die Zeit der großen Gentrifizierungswellen in Berlin vorbei. „Was 1987 in Kreuzberg begann, setzte sich 1992 in Mitte fort, erreichte 1997 den Prenzlauer Berg, 2002 Friedrichshain und 2007 Neukölln“, wies Holm auf einer Berlinkarte nach. Der Druck aber bleibt: „Früher gab es immer noch Ausweichquartiere, das ist nun nicht mehr in diesem Maße der Fall.“ Stattdessen sei ein großer Teil der Innenstadt mit Ausnahme mancher Quartiere im Wedding und Moabit bereits gentrifiziert.
Für Oberschöneweide gilt allerdings: Für die Studenten und Kreativen, Familien und Lifestyleberliner ist Oberschöneweide immer noch jwd. Das schützt vor Aufwertung. Und birgt Chancen. „Bryan Adams kommt nicht nach Oberschöneweide, weil er hier das quirlige Leben sucht, sondern weil er in Ruhe arbeiten will“, sagte auf dem Podium Regionalmanager Thomas Niemeyer.
So trieb die Besucher im restlos überfüllten Industriesalon in der Reinbeckstraße weniger die Frage nach Verdrängung um, sondern was aus den denkmalgeschützten Bauten wird.
Einig war sich das Podium, in den Industriedenkmälern kein Wohnen zuzulassen. Ein junger Mann aber forderte. „Wenn man schon Künstler hier will, sollen sie auch in Oberschöneweide wohnen können.“ Die Hoffnung auf Aufschwung war an diesem Abend stärker als die Angst davor. UWE RADA