: Rechter Konter gegen Moschee
Anwohnerinitiative will ihren Heinersdorfer Kiez moscheefrei halten – offiziell ohne Unterstützung der Nazis. Bei einer Demo am Mittwoch aber spielen sich die Rechtsextremen in den Vordergrund
von TORSTEN GELLNER
Am Ende sah wenigstens ein Nazi die rote Karte. Eine junge, zierliche Frau wies einen bulligen, augenscheinlich angetrunkenen Rechten nach einem ausländerfeindlichen Verbalfoul darauf hin, dass die Mitglieder der Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger (Ipahb) nichts mit Nazis zu tun haben wollten. Der blitzschnelle Konter des Rechtsaußen: „Wir sind überhaupt keine Nazis. Wir sind soziale Nationalisten.“ Noch bevor es zur Rudelbildung kommen konnte, wurde der „Nationalist“ mit der sozialen Ader durch einen Ordner sanft vom Platz gestellt.
Derartige Szenen blieben jedoch die Ausnahme bei der Ipahb-Demonstration am Mittwochabend. Seit Wochen mobilisiert die Bürgerinitiative gegen den geplanten Bau einer Moschee, die die kleine islamische Ahmadiya-Gemeinde in Heinersdorf bauen will. Es wäre das erste islamische Gotteshaus im Ostteil Berlins. Eine Bürgerversammlung zum Thema endete Ende März im Tumult. Kurz darauf demonstrierte die NPD gegen die Moschee.
Seither distanziert sich die Bürgerinitiative bei jeder Gelegenheit offiziell von den Rechtsextremisten. „Wir sind weder ausländerfeindlich noch rassistisch“, betonte Heiner Fleck, der Vorsitzende der Ipahb, auch am Mittwochabend. Im Protestzug aber marschierten erneut mehrere Dutzend Neonazis und eindeutig zu identifizierende Anhänger der rechten Szene – unbehelligt von den laut Ipahb rund 2.000 demonstrierenden Heinersdorfer Bürgern.
Der taktischen Vorgabe, die rechten Stürmer kaltzustellen, folgten bis auf besagte Ausnahme keine Taten. So ließ die desolate Heinersdorfer Abwehr etwa dem Rechtsaußen Jörg Hähnel, Chef der Pankower NPD, freie Bahn. Auch René Stadtkewitz, der Kreisvorsitzende der CDU, schien sich nicht an den vielen Jugendlichen mit den „Hoolywood“-Shirts und den Kurzhaarschnitten zu stören.
„Die Ipahb hat sich als anschlussfähig für die rechte Szene erwiesen“, resümierte Florian Ehrenreich vom Antifa-Bündnis „Kritik und Praxis Berlin“ das bisherige Agieren der Bürgerinitiative. Zusammen mit anderen linken Gruppen hatte das Bündnis daher zur Gegenkundgebung gerufen – allerdings wollten sich nur rund 150 Demonstranten den Moschee-Gegnern entgegenstellen. Die Begegnung verlief dank massiver Polizeipräsenz weitgehend friedlich.
Die Anwohnerinitiative wertete ihre Demonstration, die vom künftigen Moschee-Grundstück in der Tiniusstraße zum Pankower Rathaus führte, als großen Mobilisierungserfolg. Wenn die Zahlen der Veranstalter stimmen, war ein sattes Drittel aller Heinersdorfer auf den Beinen, um ihrem Unmut über das geplante Gotteshaus der Ahmadiya-Gemeinde Luft zu machen. „Wir wollen hier keine Verhältnisse wie in Neukölln“, hieß es etwa oder: „Die sollen doch da beten, wo sie herkommen.“ Auf Transparenten wurde die Befürchtung geäußert, die Scharia – die islamische Rechtslehre – könnte bald in Heinersdorf Anwendung finden. Und ein älterer Herr forderte sogar, dass jetzt endlich Köpfe rollen müssten, zuförderst bei den Grünen. „Die haben das Gesocks ja schließlich ins Land geholt.“ Ipahb-Chef Fleck argumentierte am Ende der Demonstration ein wenig differenzierter. „Wir respektieren die Religionsfreiheit“, sagte er als Abschlussredner vor dem Pankower Rathaus, „aber Religion darf nicht Gesetz und politisches Programm sein.“ Genau dies sei jedoch der Glaube der Ahmadiya-Anhänger, die nach Auffassung der Ipahb an der Scharia und der Errichtung eines Kalifatstaats auf deutschem Boden festhielten.
Trotz der massiven Proteste steht dem Bau der Moschee nach Ansicht von Verwaltung und Juristen nichts mehr im Wege. Ein erstes Bürgerbegehren der Ipahb gegen das Gotteshaus wurde vor kurzem von der Innenverwaltung als verfassungsfeindlich abgelehnt. Die Ipahb will sich aber nicht geschlagen geben. Mit einem neu formulierten Bürgerbegehren, das noch in dieser Woche auf den Weg gebracht werden soll, will sich die Initiative in die Verlängerung retten.
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