Betr.: Green Gartside

Green Gartside ist ein Enigma der Popgeschichte, sein musikalischer Output unter dem Namen Scritti Politti geprägt von radikalen Richtungswechseln und, wie es der mittlerweile 51-Jährige selbst formuliert, von „langen Abwesenheiten“. Alles begann in den frühen Achtzigerjahren mit forderndem Postpunk, bevor Gartside die damals subversiv scheinende Kraft süßlicher Popmusik entdeckte. Nachdem dieser Ansatz gescheitert war, ging er nach New York, baute Hiphop-Beats, experimentierte mit Reggae und Elektronik, nahm auf mit Mos Def, überwarf sich mit Plattenfirmen, flüchtete in eine Kate in seiner walisischen Heimat und lebt nun wieder in London. Platten erschienen nur sporadisch; über lange Zeiträume versuchte Paul Julian Strohmeyer, wie Gartside eigentlich heißt, frustriert und verängstigt, ganz mit der Musik aufzuhören. In den Achtzigern hatte Scritti Politti, deren Name inspiriert war vom italienischen Marxisten Antonio Gramsci, für einen kurzen Moment die scheinbar gelungene Versöhnung von Pop und Politik verkörpert: Der Sänger zitierte Wittgenstein, wurde von Derrida zum Plausch geladen und veröffentlichte mit „Songs To Remember“ (1982) und „Cupid & Psyche 85“ (1985) zwei Klassiker des britischen Pop. Schon 1982 hatte er bei einem Auftritt im Vorprogramm von Gang of Four einen physischen und psychischen Zusammenbruch erlitten, befeuert von einer Diät aus Alkohol und Amphetaminen. Erst in diesem Jahr wagte er sich zum ersten Mal seit 24 Jahren wieder auf Bühnen, absolvierte vorsichtig nahezu geheime Auftritte in kleinem Rahmen. „White Bread Black Beer“, gerade erschienen (Rough Trade/RTD), ist Gartsides erstes Album seit sieben Jahren, eine Sammlung so anrührender wie zynischer Popsongs. TO