: Eine mongolische Odyssee
HIPPEN empfiehlt „Das Lied von den zwei Pferden“, mit dem Byambasuren Davaa eine Trilogie mit halbdokumentarischen Filmen aus ihrem Geburtsland abschließt
VON WILFRIED HIPPEN
Über die mongolische Steppe und ihre nomadischen Hirtenvölker hat es in den letzten Jahren schon einige Filme gegeben, denn sie zählt zu den wenigen noch halbwegs intakten Urlandschaften und traditionellen Kulturen. Den westlich-touristischen Blick können Filmemacher aus Europa dabei trotz allen besten Absichten nicht immer vermeiden, und so schwelgte auch ein Volker Schlöndorff in „Ulzhan“ zu sehr in elegischen Stimmungsbildern.
Ideal wären dagegen Heimatfilme aus dieser Region, und genau diese macht Byambasuren Davaa, die in der Mongolei geboren und aufgewachsen ist, dann aber in Deutschland das Filmemachen studierte. Ihr international gefeiertes Debüt war „Die Geschichte vom weinenden Kamel“, „Das Lied von den zwei Pferden“ ist nach „Die Höhle des gelben Löwen“ nun schon der dritte Film, den sie nach der gleichen Methode in ihrem Mutterland inszeniert.
Dabei werden die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm verwischt, den Davaa zeigt zwar, wie die Menschen in den archaischen Landschaften leben und ihre Kultur pflegen, aber ihre Protagonisten sind Darsteller und es gibt ein Drehbuch, in dem die Erzählstränge und Dialoge vorgegeben werden.
So wird in „Das Lied von den zwei Pferden“ die Geschichte der Sängerin Urna erzählt, die ihrer Großmutter an deren Sterbebett das Versprechen gab, das Familienheiligtum restaurieren zu lassen. Bei selbigem handelt es sich um eine Pferdekopfgeige, die während der chinesischen Kulturrevolution zerstört wurde. Am Hals waren die Strophen des uralten Volkslieds „Die zwei Pferde von Dschingis Khan“ eingraviert, doch Teile davon sind nicht mehr zu entziffern, und der Text scheint vergessen.
Urna macht sich nun auf die Suche nach diesem Lied und reist dabei sowohl durch die schon sehr verstädterte innere Mongolei wie auch durch die noch viel ursprünglichere äußere Mongolei. Dabei trifft sie Hirten, Sänger und Schamanen, von denen sie hofft, dass diese das uralte Lied kennen und ihr vorsingen. Diese Dramaturgie von der Suche nach einem alten, verlorenen Schatz ist nicht umsonst seit Jasons Goldenem Vlies und dem Heiligen Gral von König Artus nie aus der Mode gekommen, denn so kann man spannend von einer Reise erzählen und ansonsten unzusammenhängende Abenteuer und Begegnungen sinnvoll aneinanderreihen. Davaa nutzt diesen bewährten Kniff, um ein Panorama vom Leben der Menschen in der heutigen Mongolei zu zeigen. Dabei beschreibt sie aber eben nicht nur das noch unversehrte Alte, sondern auch die Müllberge und Plattenbauten der Hauptstadt Ulan Bator, während in den von der chinesischen Regierung verwalteten Teilen der Mongolei versucht wird, die traditionelle mongolische Kultur zu zerstören.
Und auch die Protagonistin kann sich nicht von modernen Einflüssen freimachen, wie in einer komischen Szene deutlich wird, in der sie in der tiefsten Steppe ihr Handy in die Luft wirft, um so ein SMS-Empfangssignal zu bekommen. Natürlich wird in einem Film, bei dem es um ein Lied geht, viel gesungen, und die Hauptdarstellerin ist die international erfolgreiche Urna Chahar-Tugchi, bei deren Gesang ein Kolleg von der taz in Berlin Landschaften zu sehen meinte, „die man nie betreten hat“.
Wie wichtig dieser Film auch als Dokument einer bedrohten Kultur ist, wird dadurch deutlich, dass wenige Tage nach den Dreharbeiten bei politischen Unruhen einige der wertvollsten Instrumente und Schriften, die im Film zu sehen sind, in einem Kulturzentrum zerstört wurden. So erzählt Davaa auch davon, wie schwer der Verlust auch nur eines einzigen Liedes wiegen kann.