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Archiv-Artikel

Entscheidung im Fall Emmely

PROZESS Ist eine Kündigung wegen einer Schadenssumme von 1,30 Euro rechtmäßig? Heute entscheidet das Bundesarbeitsgericht in Erfurt

Für heute hat das „Komitee ‚Solidarität für Emmely‘ “ zu einer Kundgebung in Erfurt aufgerufen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entscheidet am heutigen Donnerstag über den Fall der fristlos gekündigten Supermarktkassiererin „Emmely“. Die als „Emmely“ bekannt gewordene Berliner Kassiererin Barbara E. war 2008 von ihrem Arbeitgeber wegen der Unterschlagung von zwei Leergutbons im Gesamtwert von 1,30 Euro mit sofortiger Wirkung und ohne vorherige Abmahnung entlassen worden.

Der Kaiser’s Tengelmann Konzern begründete die Kündigung mit einem Vertrauensverlust in die Mitarbeiterin. Die Kündigung sei auch nach 31-jähriger Betriebszugehörigkeit angemessen. Barbara E. hatte die Unterschlagung stets bestritten. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg stimmte aber der Auffassung des Supermarktkonzerns in seinem 2009 gefällten Urteil zu und hielt die Verdachtskündigung für gerechtfertigt (Az.: 7 Sa 2017/08).

Die Unterschlagung sei zwar nicht bewiesen, es gebe aber viele Widersprüche in den Aussagen der 52-Jährigen sowie starke und begründete Verdachtsmomente, die das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zerstört hätten. Gerade als Kassiererin stelle eine Unterschlagung oder ein Diebstahl eine besonders schwere Pflichtverletzung dar. Auch das „beharrliche Leugnen“ und der Versuch von Barbara E., die Unterschlagungsvorwürfe auf andere Mitarbeiter abzuwälzen, hätten zu einem Vertrauensverlust geführt.

Auf den Wert der Unterschlagung komme es nicht an. Dies habe bereits das Bundesarbeitsgericht 1984 in seinem sogenannten Bienenstich-Urteil entschieden (Az.: 2 AZR 3/83). In dem Fall wurde einer Bäckereiverkäuferin gekündigt, weil sie ohne zu bezahlen, ein Stück Bienenstich aus der Theke entnommen hatte.

Inwieweit das Bundesarbeitsgericht von dieser Rechtsprechung jetzt abrückt, ist nicht klar. Benedikt Hopmann, der Anwalt von „Emmely“, hält ihre Kündigung für unverhältnismäßig. Eine Abmahnung hätte nach der langen Betriebszugehörigkeit seiner Mandantin als Warnung ausgereicht.

In der Öffentlichkeit stieß der Fall „Emmely“ auf harsche Kritik. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hatte die Gerichtsentscheidung als „barbarisches Urteil von asozialer Qualität“ bezeichnet. Gewerkschafter sowie Betriebs- und Personalräte aus 16 Bundesländern haben im Fall „Emmely“ einen Solidaritätsappell unterzeichnet, vor mehreren Kaiser’s-Filialen in Berlin organisierten linke Gruppen Protestaktionen. Für den heutigen Donnerstag hat das „Komitee ‚Solidarität für Emmely‘ “ zu einer Kundgebung in Erfurt aufgerufen. (epd)