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Archiv-Artikel

Der Event

Göttin im Gewerbepark

Im westfälischen Hamm steht Europas größter tamilischer Hindutempel. Einmal im Jahr versammeln sich Tamilen aus ganz Europa, um der Göttin Kamadchi Ampal ihre Ehre zu erweisen. Höhepunkt des alljährlichen Tempelfestes ist die große Prozession am 11. Juni. Alles fing damit an, dass Sri Paskaran, Bürgerkriegsflüchtling aus Sri Lanka, während einer Bahnfahrt von Berlin nach Paris Hunger verspürte und in Hamm den Zug verließ. Das ist 21 Jahre her und inzwischen gilt die Ruhrpott-Gemeinde als Hauptstadt der Exil-Tamilen. Ungläubige mögen es Zufall nennen, der Hauptpriester glaubt fest an göttliche Vorsehung, dass sein Bärenhunger ihn an dieser Station auf den Bahnsteig getrieben hatte. Der Hindu-Geistliche verstand den Wink der Weltenlenker: Er sollte genau hier einen Tempel für Kamadchi Ampal, die „Göttin mit den liebevollen Augen“, bauen. Den ersten Gebetsraum richtete er im Keller eines Mietshauses ein, später huldigten die Hindus in einer Wäscherei ihrer Göttin. 1993 feierten sie das erste Tempelfest und präsentierten Kamadchi Ampal in der Öffentlichkeit. Doch Anwohner beschwerten sich über parkende Autos und laute Trommelmusik während des jährlichen Tempelfestes. Die Stadtverwaltung bot Sri Paskaran ein Grundstück im Industriegebiet an. In dem Areal zwischen Kohlekraftwerk und Schlachthof gibt es keine nörgelnden Nachbarn. Außerdem ist der angrenzende Datteln-Hamm-Kanal der ideale Ort für rituelle Waschungen. Der Priester war glücklich, den geeigneten Standort für seinen Tempel-Neubau gefunden zu haben.

Seit einigen Jahren ist die Göttin im Industriepark von Hamm-Uentrop zu Hause und präsentiert sich zum alljährlichen Tempelfest der Öffentlichkeit. Um die 20.000 Besucher erwartet Sri Paskaran in diesem Jahr: Es hat sich herumgesprochen, dass die Hindus von Hamm sich immer im Juni neben dem Kraftwerk versammeln, um inbrünstig Kokosnüsse zu zerschmettern und in Trance den Tempel zu umrunden. Das spirituelle Spektakel zieht zunehmend schaulustige Nicht-Hindus an, die schon rund ein Viertel der Besucher ausmachen. Und damit keiner der Anwesenden Hunger leidet, wie seinerzeit Sri Paskaran, wird am Ehrentag der Heiligen kostenlos Reis und Curry verteilt. CLAUDIA PIUNTEK

Internetseite des Tempels: www.kamadchi-ampal.deTempelarchitekt Heinz-Rainer Eichhorst bietet Führungen an, Termine können unter (0 23 81) 3 07 16 50 vereinbart werden