Hisbollah will ihre Waffen nicht abgeben

Die achte Runde des Nationalen Dialogs im Libanon vertagt erneut Entscheidung über Zukunft der schiitischen „Partei Gottes“. Das antisyrische Bündnis verliert immer mehr an Zugkraft. Dabei hat es die Rückendeckung der UNO

BEIRUT taz ■ Hassan Nasrallah wies alle Anschuldigungen von sich. „Ich kann Ihnen versichern, dass eine viel, viel größere Anzahl von Teilnehmern erschienen wäre, hätte die Hisbollah zu Demonstrationen aufgerufen“, erklärte der Generalsekretär der libanesischen „Partei Gottes“ vergangene Woche auf einer Pressekonferenz. Den Vorwurf, Kader seiner schiitischen Organisation seien für Krawalle verantwortlich gewesen, die Beirut und andere libanesische Städte nach der Ausstrahlung einer Satire-Sendung vor zehn Tagen erschütterten, bezeichnete der 45-jährige religiöse und politische Führer als absurd. Vielmehr seien der vom einstigen christlichen Milizenführer Samir Geagea gegründete Sender LBCI und die hinter ihm stehenden antisyrischen Kräfte Schuld an der „Angst und Erniedrigung“, die Hisbollah-Anhänger durch die Satire-Sendung „Basmat Watan“ erleiden mussten.

Für die achte Runde des „Nationalen Dialogs“ aber, bei der am vergangenen Donnerstag die wichtigsten libanesischen Politiker über eine mögliche Entwaffnung der sowohl im Parlament wie in der Regierung vertretene Schiitenmiliz entscheiden wollten, kamen die Krawalle zum ungünstigsten Zeitpunkt. Statt wie geplant über eine von der Hisbollah eingebrachte „nationale Verteidigungsstrategie“ zu beraten, vertagte man sich auf Ende Juni. Alles, was die hohen Herren parat hatten, war die Einigung auf einen Ehrenkodex, der den „gegenseitigen Respekt“ der politischen Kontrahenten voreinander wahren helfen soll.

Ein schwieriges Unterfangen. Denn ein Jahr nach dem kurzen „Beiruter Frühling“ der Demokratie, als Massendemonstrationen im April 2005 den Abzug der seit 1976 im Libanon stationierten syrischen Truppen bewirkten, stehen sich anti- und prosyrische Allianzen unversöhnlich gegenüber. Die Freie Patriotische Bewegung des christlichen Exgenerals Michel Aoun steht aufseiten von Hisbollah und der zweiten großen schiitischen Partei Amal von Parlamentspräsident Nabih Berri. Sie genießen die Unterstützung von Syriens Präsident Baschar Assad. Das antisyrische Bündnis um den Sohn des im Februar 2005 wahrscheinlich von syrischen Hintermännern ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri, Saad Hariri, hingegen verliert immer mehr an Zugkraft. Ein einvernehmlicher Beschluss zur Entwaffnung der einzigen Miliz, die auch nach dem Taif-Friedensschluss zur Beendigung des Libanon-Krieges 1989 ihre Waffen behalten durfte, erscheint deshalb unwahrscheinlich.

Dabei hatte der UNO-Sicherheitsrat im September 2004 in seiner Resolution 1559 die Entwaffnung der Hisbollah ganz oben auf die internationale Tagesordnung gesetzt. Nasrallah und andere Hisbollah-Kader lehnen sie seitdem vehement als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes“ ab. Die UNO und viele nichtschiitische Libanesen verstehen sechs Jahre nach dem Ende der israelischen Okkupation des Südlibanon nicht, warum die lange als „nationaler Widerstand“ gefeierte Organisation ihre Waffen weiter behalten solle.

Die Hisbollah verwies stets auf die anhaltende Besetzung des nur wenige Quadratkilometer großen Gebiets der Schebaa-Farmen, um ihrer Entwaffnung zu entgehen. Da sie in der Vergangenheit jedoch immer wieder Ziele im Norden Israels angriff, erscheint das vor allem den antisyrischen Kräften als Ausrede. Erst Ende Mai sorgte der Beschuss israelischer Stellungen durch Katjuscha-Rakten für stundenlange Gefechte. Die iranische Regierung, seit mehr als zwei Jahrzehnten wichtigste Schutzmacht der Hisbollah, hat in letzter Zeit mehrfach deutlich gemacht, dass sie bei einer Zuspitzung des Atomkonflikts mit dem Westen die Organisation als Stellvertreterarmee einsetzen werde. MARKUS BICKEL