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Archiv-Artikel

Europa lässt es kommunal rollen

Nach jahrelangem Streit einigen sich die EU-Verkehrsminister auf neue Regeln zur Liberalisierung des öffentlichen Nahverkehrs. Minister Tiefensee ist „sehr zufrieden“

LUXEMBURG dpa ■ Der Wettbewerb bei Bus und Bahn bekommt neue europäische Regeln. Die Verkehrsminister der 25 EU-Staaten einigten sich am späten Freitag in Luxemburg auf eine Verordnung für öffentliche Verkehrsdienste. Damit beendeten sie jahrelange Streitigkeiten in der Politik und vor Gerichten.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erklärte sich zufrieden mit der Lösung: „Das bedeutet, dass wir die Verkehrsverbünde in Deutschland in der bewährten Form erhalten.“ Vor allem schaffe die EU-Regelung Rechtssicherheit für Kommunen und Verkehrsunternehmen, sagte Tiefensee. Das vereinfache die Entscheidung über Klagen ausländischer Firmen, die auf dem deutschen Markt tätig werden wollen. Außerdem könnten Städte und Gemeinden mit eigenen Verkehrsbetrieben künftig auf klarer Grundlage eine Zusammenarbeit mit privaten Anbietern organisieren, so der Minister.

„Der Text erhöht die lokale Eigenständigkeit“, betonte EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot. Er lasse den Städten und Gemeinden die Wahl: Sie könnten Verkehrsdienste in öffentlicher Ausschreibung vergeben oder Verträge mit einem Anbieter nach bestimmten Regeln direkt abschließen. Verträge ohne vorherige Ausschreibung sind möglich, wenn sie weniger als 1 Million Euro oder weniger als 300.000 Kilometer im Jahr umfassen. Besitzt das Vertragsunternehmen weniger als 20 Fahrzeuge, gelten 1,7 Millionen Euro und 500.000 Kilometer pro Jahr als Grenzwert.

Griechenland, Malta und Luxemburg hatten unter anderem höhere Obergrenzen gefordert, enthielten sich wie Tschechien der Stimme. Deutschland sah seine Wünsche erfüllt und stimmte zu. Die 4.100 kleinen und mittleren Verkehrsunternehmen in Deutschland haben bis 2022 Zeit, sich auf die tief greifenden Änderungen bei der Auftragsvergabe einzustellen. Die Verordnung soll drei Jahre nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten – mit einer Übergangsfrist von zwölf Jahren. Das Europa-Parlament hat dem Text in einer früheren Fassung bereits im Jahr 2001 zugestimmt und muss jetzt die vom Ministerrat vorgelegten Änderungen in zweiter Lesung prüfen.

Der britische Staatssekretär Stephen Ladyman meinte, Wettbewerb mache den öffentlichen Personenverkehr letztlich attraktiver. Seit der Liberalisierung der Branche in Großbritannien 1996 sei die Zahl der Kunden trotz mancher Probleme um 40 Prozent gewachsen.