piwik no script img

Archiv-Artikel

„Öffnung ist ein großer Schritt“

Der DMB-Historiker Jan M. Witt sieht die Entwicklung vom Ehrenmal zu einer lebendigen Gedenkstätte

taz: Was muss sich ändern am Laboer Marine-Ehrenmal?

Jan M. Witt: Ich sehe meine Aufgabe darin, das Marine-Ehrenmal weiter zu entwickeln. Aber in Abstimmung mit den Mitgliedern des Deutschen Marinebundes, denn es ist zu allererst ihr Ehrenmal. Es ist von ihren Spenden gebaut worden und wird bis heute von ihren Beiträgen unterhalten. Die Mitglieder müssen sich daher im Ehrenmal wieder finden.

Klingt nach einem schwierigen Spagat …

Es geht nicht darum, von außen ein didaktisches Konzept aufzupfropfen, sondern dieses im Dialog mit den Mitgliedern zu entwickeln. Entscheidend ist jedoch, dass die Darstellung der deutschen Marinegeschichte den aktuellen, anerkannten Forschungsstand widerspiegelt. Es ist übrigens ein großer Schritt für den DMB gewesen, sich der historischen Forschung zu öffnen. Nicht viele Vereine machen das.

Man findet viele Opfer, aber keine Täter. Warum?

Die heutige Ausstellung ist in den fünfziger Jahren entstanden, als die Auseinandersetzung mit solchen Fragen noch keine Rolle spielte. Bedenken Sie, wie lange es gedauert hat, bis man den U-Boot-Krieg neu bewertet hat, aber auch wie akzeptiert diese Neubewertung heute ist. Das sind nicht mehr die einsamen Wölfe, die durch die Meere zogen. Man weiß von ihrem systematischen Krieg gegen die zivile Schifffahrt und welche Opfer das gekostet hat.

Ist das Ehrenmal selbst als ein Dokument der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu lesen?

Durchaus. So hat sich das Marine-Ehrenmal von einer Gedenkstätte für die Toten der deutschen Marine im Ersten Weltkrieg nach 1945 zu einem Mahnmal für die Seekriegsopfer aller Nationen gewandelt. Das heutige Selbstverständnis des Ehrenmals – „Sie starben für uns – Den Lebenden zur Mahnung“ – zeigt, dass es hier nicht um Heldenverehrung, sondern um das Gedenken an die Opfer zweier Weltkriege geht – und nicht nur der Deutschen, sondern auch der Alliierten.

Gibt es eine historische Einordnung?

In der historischen Halle wird der Wandel im Geschichtsverständnis in den letzten Jahrzehnte deutlich. Da wird die Entstehung der deutschen Marine von den Wikingern über die Hanse und die brandenburgische Marine, die übrigens nur eine Fußnote in der Marinegeschichte war, bis hin zur Kaiserlichen Marine hergeleitet. Das ist historisch nicht haltbar. Und dann plötzlich gibt es den ersten Weltkrieg und später den zweiten. Warum und wieso es dazu gekommen ist, das wird nicht ausreichend erklärt. Da werde ich ansetzen.

Wird sich das Ehrenmal in ein historisches Museum verwandeln?

Nein, das genau nicht. Es wird immer in erster Linie ein Mahnmal sein – aber eines, das grundsätzlich die Kriegstoten aller Nationen, die Opfer der Handelsmarine und auch die Toten der Bundes wie auch der Volksmarine nach 1945 mit einschließt. Was übrigens im Marinebund nicht unumstritten war. Auch die Widmung des Ehrenmals für die Toten der zivilen Schifffahrt sorgte für heftige Diskussionen. Heute ist es selbstverständlich, das sie dazu gehört. Das zeigt, dass das Marine-Ehrenmal eine lebendige Gedenkstätte ist, die sich den Fragen an die Vergangenheit stellt.Interview: Frank Keil