: Aus Potsdams Wäldern ins Pulverfass Kongo
In der Zentrale der EU-Kongo-Mission Eufor richtet sich die Bundeswehr mit europäischen Kollegen auf den Truppeneinsatz in Kinshasa ein. Die deutschen Aufgaben gehen über Evakuierung und Sanitätsdienste hinaus
POTSDAM taz ■ Selten sieht man vor einer militärischen Einrichtung die Flaggen des neutralen EU-Mitglieds Irlands und des Nato-Staates Türkei zugleich, doch der Kongo macht es möglich. 19 EU-Staaten sowie die Türkei sind im Hauptquartier vertreten, das aus ein paar Gebäuden im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in den Wäldern bei Potsdam den EU-Kongo-Einsatz Eufor leiten soll. „Wir hoffen, dass wir die meiste Zeit mit Routineoperationen zu tun haben werden“, erklärt Fregattenkapitän Frank Reininghaus bei der Besichtigung des Raums, wo Militärs hinter Computern Nachrichten aus dem Kongo studieren.
In Kongos Hauptstadt Kinshasa, wo auf dem Flughafen Ndolo direkt neben dem größten Militärgelände der Stadt das Einsatzhauptquartier der Truppe entsteht, arbeiten erst Vorabeinheiten. Doch sofort nach der Fußballweltmeisterschaft soll es richtig losgehen: Am 10. Juli, einen Tag nach dem WM-Endspiel, sollen 500 deutsche Soldaten nach Afrika aufbrechen. Dies erklärte am Sonntagabend Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU). Die volle Einsatzfähigkeit soll kurz vor dem 30. Juli hergestellt sein, dem Termin von Kongos ersten freien Wahlen und dem formellen Beginn der auf vier Monate angelegten EU-Mission. Krisenzeiten, in denen in Potsdam besonders viel Personal zur Evaluierung und Entscheidungsfindung gebraucht werden, erwartet die Eufor-Leitung nicht zu den Wahlen selbst, sondern Ende August und Ende September, dem möglichen Termin einer Stichwahl.
Insgesamt schickt Deutschland 780 Soldaten in die rund 2.000 Mann umfassende EU-Truppe. Deutschland ist damit der zweitstärkste Truppenentsender hinter Frankreich (850 Soldaten) und stellt den Befehlshaber, Generalleutnant Karlheinz Viereck, mit einem französischen Stellvertreter. In Kinshasa ist es umgekehrt: Das Truppenkommando hält der französische General Christian Damay, sekundiert vom deutschen Flottenadmital Henning Bess.
Der deutsche Einsatz ist nach dem Willen von Bundesregierung und Bundestag auf den „Raum Kinshasa“ beschränkt. Die EU insgesamt sieht auch den Rest des Kongo als Einsatzgebiet, mit Ausnahme der vier Ostprovinzen Nordkivu, Südkivu, Maniema und Orientale.
Von den 780 bewilligten deutschen Soldaten sollen nur rund 320 Soldaten ständig in Kinshasa stehen, das insgesamt um die 650 EU-Soldaten beherbergen wird. Die anderen bleiben auf Abruf im zentralafrikanischen Land Gabun, wo Eufor zwei französische Kompanien sowie jeweils eine aus Deutschland und den Niederlanden umfasst.
Die spezifischen Aufgaben der Deutschen in Kinshasa sind laut Eufor: das Fernmeldewesen zusammen mit den Niederlanden, das Sanitätswesen zusammen mit Frankreich und Portugal, die Koordination mit zivilen Stellen zusammen mit Belgien und den Niederlanden, psychologische Operationen zusammen mit Frankreich sowie – im Alleingang – militärische Aufklärung, was mit „Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaisance“ bezeichnet wird. Spanien stellt für Kinshasa eine „schnelle Eingreiftruppe“, polnische Soldaten schützen die EU-Basis auf dem Flughafen Ndolo.
Der deutsche stellvertretende Truppenkommandant Bess wird Vorsitzender eines Komitees zur Absprache mit staatlichen und nichtstaatlichen Stellen des Kongo. Nur die UNO kann allerdings EU-Soldaten direkt anfordern, nicht etwa Kongos Armee- oder Polizeiführung.
Heute soll Minister Jung in Leer das für den Kongo vorgesehene Kontingent des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst „Ostfriesland“ verabschieden. Letzten Mittwoch hatte Jung in Merzig die Luftlandebrigade 26 besucht, die ebenfalls nach Kongo geht. Die Fallschirmjäger, so der Pressetext der Bundeswehr, führten vor, „wie sie Situationen begegnen, die im Einsatzland erwartet werden. So wurde beispielsweise ein bewaffneter Störer vor einem Wahllokal festgesetzt oder ein Team von Wahlbeobachtern evakuiert“. Die Festsetzung von „Störern“ in Kinshasa obliegt allerdings eigentlich der kongolesischen Polizei. Als „Störer“ dürften bei Kongos Wahl höchstens Hitzköpfe der boykottierenden Oppositionsparteien auftreten, die die Wahl als Farce zur Legitimierung des amtierenden Präsidenten Joseph Kabila ansehen.
In der Einsatzzentrale wird die Aufgabe von Eufor wie folgt definiert: „Stationierung von Voraustruppen in Kinshasa mit einer abrufbereiten Truppe ‚jenseits des Horizonts‘, um zeitige und ausreichende Unterstützung für Monuc zu liefern in Situationen, die diese überfordern könnten.“ Gemeint ist damit die Rettung und Evakuierung von Wahlhelfern, Wahlbeobachtern und UN-Mitarbeitern, die Verstärkung von UN-Kampftruppen in Einzelsituationen und auch ein Beitrag zum Schutz des internationalen Flughafens von Kinshasa, wo bisher Kabilas Präsidialgarde das Sagen hat. Die Truppe solle „zum sofortigen Reagieren fähig“ sein und über „robuste Einsatzrichtlinien“ verfügen, heißt es weiter.
„Wir rechnen mit möglichen Störern während der Wahlen“, erklärte Einsatzleiter Viereck vergangene Woche auf einer Pressekonferenz. Andererseits herrsche derzeit „eine ruhige Situation in Kinshasa wie auch in ganz Kongo“, und „wir haben zurzeit die Risiken der Operation im Griff“. DOMINIC JOHNSON