: Journalisten-Überwachung war nicht geheim
BND-Spitzel sagt, sein Exchef habe gewusst, dass er Andreas Förster von der „Berliner Zeitung“ beschattet hat
BERLIN taz ■ In der Journalisten-Bespitzelungsaffäre gerät der frühere BND-Präsident und heutige Innenstaatssekretär August Hanning weiter unter Druck: Nach Darstellung des Leipziger Nachrichtenhändlers und BND-Spitzels Uwe Müller, der bis 2005 auf den Journalisten Andreas Förster von der Berliner Zeitung angesetzt war, habe Hannig von der Überwachung Försters gewusst. Müller sagte der Financial Times Deutschland, dies habe er von seinem damaligen Verbindungsmann beim BND erfahren. Danach habe Hanning 2004 verfügt, die Beschattung Försters einzustellen.
Die Berliner Zeitung hatte schon Ende Mai gemeldet, dass das Bundeskanzleramt und die Spitze des Bundesnachrichtendienstes entgegen ihrer bisherigen Aussagen bis in das letzte Jahr hinein über die Bespitzelung von Journalisten informiert gewesen seien. Die Ausspähung von Förster sei „in der BND-Führungsebene genehmigt worden“. Zudem sei das Kanzleramt über Aktivitäten des auf Förster und zwei andere Journalisten angesetzten Müller „noch im Januar 2005 unterrichtet“ worden.
Die Bundesregierung hatte diese Darstellung umgehend, aber in auffallend dürren Worten dementiert: Der Beitrag der Berliner Zeitung über die Unterrichtung des Kanzleramts sei „falsch“, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Auch dass die Bespitzelung eines Redakteurs der Zeitung von der BND-Führung genehmigt worden sei, sei „unzutreffend“.
Offiziell will das Bundeskanzleramt erstmals im Januar 2005 von der Bespitzelung erfahren haben. So jedenfalls hatte es die Bundesregierung Sonderermittler Gerhard Schäfer mitgeteilt, der im Auftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) einen mittlerweile in weiten Teilen veröffentlichten Bericht über die Journalisten-Bespitzelung verfasst hat. Auch der BND verweist weiter darauf, dass Hanning ebenfalls erst im Januar letzten Jahres nach Einstellung der Journalisten-Überwachung informiert worden sei.
Die Opposition will nun im parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach Ross und Reitern fahnden. PKG-Mitglied Hans-Christian Ströbele (Grüne) warnte allerdings bereits vor überzogenen Erwartungen: Die Hoffnung auf das PKG und den Untersuchungsausschuss seien „eine völlige Illusion“, sagte Ströbele. Zwei Drittel des PKG würden „lieber Gras über die ganze Sache wachsen lassen“. Dies gelte auch für den Untersuchungsausschuss. Hier hätten beide großen Parteien „Beißhemmungen“, weil die Verantwortlichkeit für die BND-Aktionen sowohl in die Ära Kohl als auch in die Zeit von Rot-Grün falle, so Ströbele.
STEFFEN GRIMBERG