: Eltern ohne Stimme
VOLKSENTSCHEID Beim Straßenfest International in Schnelsen-Süd war die Schulreform ein großes Gesprächsthema. Viele Mütter und Väter ohne Deutschen Pass würden gern abstimmen, dürfen aber nicht
SEVDA BAYINDER, MUTTER
Im Wohnviertel am Vörn Brook in Schnelsen-Süd war am Samstag kein Parkplatz zu finden. Aus Lurup, Altona und sogar aus Eidelstedt reisten MigrantInnen zum „Straßenfest International“ an. Zwischen Samba-Trommlern und Bauchtanzgruppe spricht Rainer Scholz die Menschen an. Er ist einer von 30 „Schulverbesserern“ aus Eimsbüttel und will für die Reform werben.
Mühsame Überzeugungsarbeit tut hier nicht not. Sevda Bayinder und Freundin Duda Akkin aus Altona nehmen freundlich die Zettel an. „Vier Jahre Grundschule sind viel zu kurz. Ich habe schon für die Primarschule gestimmt“, sagt Bayinder. Sie habe einen Sohn in der 3. Klasse. „Er ist noch so verspielt. Es ist unfair, so früh über die Kinder zu entscheiden.“ Duda Akkin nickt. Auch sie ist Mutter, kann nicht wählen, weil sie keinen deutschen Pass hat. „Es geht vielen so“, sagt Bayinder. „Schrecklich. Man lebt hier und kann nicht mitstimmen.“
„Prima Schule, die soll gut sein und die Kinder fördern“, sagt auch Violetta S. Sie hofft, dass ihr elfjähriger Sohn den Sprung von der Sonderschule in eine Primarschule schafft. Doch sie hat selbst nach 25 Jahren noch keinen deutschen Pass. Den zu bekommen sei „teuer und langwierig“, berichtet Mandola A., die als Fünfjährige aus Serbien-Montenegro kam. „Das Heimatland will bei der Abmeldung viele 100 Euro Gebühr.“ Die 21-jährige Friseurin hat einen kleinen Sohn, für den sie die Primarschule gut fände, ihr Kreuz machen kann sie nicht.
200.000 Nicht-EU-Ausländern und 80.000 EU-Ausländern geht es so. Die Interkulturelle Elterninitiative plant deshalb am 3. Juli auf dem Rathausmarkt einen symbolischen Volksentscheid.
Nicht alle sind einer Meinung. Ein junger Mann mit Zopf und Kind auf dem Arm winkt ab. „Ich darf nicht. Aber meine Frau hat schon abgestimmt. Dafür, dass die Eltern das weiter selber entscheiden.“ Vier Jahre Grundschule seien „doch genug“. Ein Ausreißer. „Die meisten sind sehr offen“, sagt Rainer Scholz.
Auch der Imam aus Schnelsen-Eidelstedt ist auf dem Fest. „Eine Türkin von den Grünen hat uns Imame informiert“, sagt Burhanettin Arslan. „Für uns Ausländer ist die Primarschule eine Erlösung.“ Die Kinder bräuchten die Zeit. In der Türkei blieben sie bis zur 8. Klasse zusammen. Mit Blick auf die Wahlzettel sagt Arslan: „Wir sind für das zweite Kreuz.“ KAIJA KUTTER