Türkei droht mit Aussetzung der Gespräche

Premier Erdogan meint, dass die griechischen Zyprioten nicht an einer fairen Lösung des Konflikts interessiert sind

„England hat auch jahrelang gewartet, als Paris seine EU-Mitgliedschaft boykottieren wollte“

ISTANBUL taz ■ Dieses Mal hat es nicht ganz so lange gedauert wie im Oktober letzten Jahres, als es um die grundsätzliche Entscheidung zur Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ging. Am frühen Nachmittag kam der weiße Rauch aus Luxemburg und der türkische Außenminister Abdullah Gül konnte sich auf den Weg zu seinem wartenden Flieger machen. Zuvor hatte es allerdings wieder einen Nervenkrieg gegeben, weil die griechischen Zyprioten mit einem Veto drohten, wenn die Türkei nicht ihre Häfen und Flughäfen für ihre Schiffe und Flugzeuge öffnen würde.

Zwar hatte die Türkei im letzten Herbst zugesichert, innerhalb eines Jahres die Zollunion auch mit Zypern umzusetzen, doch zugleich immer betont, dass sei für Ankara keine Anerkennung der griechisch-zypriotischen Regierung und eine solche Anerkennung werde es auch nicht geben, solange eine Wiedervereinigung der Insel nicht vollzogen sei.

In Ankara, aber auch innerhalb der türkischen Öffentlichkeit herrscht einige Verbitterung, weil der griechisch-zypriotische Präsident Tassos Papadoupolus alle Verhandlungsangebote in den letzten Monaten rüde ablehnte und auch verhinderte, dass die EU ihr Versprechen, die Isolation der türkischen Zyprioten zu lockern, einhalten konnte.

Ohne ein Entgegenkommen für die verhandlungsbereite, weltweit isolierte Nordzypriotische Republik kann es sich aber in Ankara keine Regierung leisten, normale Beziehungen zur den griechischen Zyprioten aufzunehmen. In der Türkei verdichtet sich auch immer mehr die Vermutung, dass Papadopoulus keinerlei Interesse an einer fairen Lösung des Konflikts hat, sondern immer wieder versuchen wird, die türkische Regierung über die Verhandlungen mit der EU zu erpressen, um letztlich eine Zypernregelung allein in seinem Interesse durchzusetzen. Deshalb betonte Ministerpräsident Tayyip Erdogan auch gestern noch einmal, dass man dem Druck der griechischen Zyprioten nicht nachgeben werde und zur Not eben eine Aussetzung der Verhandlungen in Kauf nimmt. „England hat auch jahrelang gewartet, als Frankreich seine EU-Mitgliedschaft boykottieren wollte“, sagte Erdogan. „Zur Not werden wir das auch tun.“ JÜRGEN GOTTSCHLICH