Religiöse Gewalt bedroht Reformen

MUSLIME/BUDDHISTEN Die gewalttätigen Konflikte schüren das Misstrauen auf beiden Seiten

VON MYO MYAT MYAT TUN

Brutale Zusammenstöße zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit haben schon Hunderte Menschenleben gefordert. Die meisten Toten waren Muslime. Rund 140.000 Muslime müssen derzeit in armseligen Flüchtlingslagern hausen, in denen es kaum Arbeit gibt und in denen die Polizei die Bewegungsfreiheit der Bewohner einschränkt.

Religiöse Aggressionen eskalierten bereits im Rakhaing-Staat, in der Stadt Lashio im Shan-Staat, in Meiktila und in Okhan in der Region Yangon. In Meiktila mündete ein Streit bei einem Juwelier in einen dreitägigen Aufruhr gegen Muslime mit mehr als 100 Toten. Im überwiegend muslimischen Rakhaing-Staat löste ein Vergewaltigungsfall eine Welle der Gewalt aus.

Die Ereignisse drohen inzwischen, die Reformbemühungen von Präsident Thein Sein zu überschatten. Der Chef der Muslim-Vereinigung Myanmars, Myint Thein, sagt: „Buddhisten und Muslime haben lange Zeit in Myanmar friedlich miteinander gelebt, ohne dass etwas passierte. Nun häufen sich die Zwischenfälle.“ Er zieht eine Verbindung zur buddhistischen 969-Bewegung, die das Land mit Hass-Reden überziehe. „Sie ist sehr populär.“

Die 969-Bewegung lehnt die Verantwortung ab. Sie ist eine nationalistische, antimuslimische Gruppe, angeführt vom Mönch Wirathu. Die Zahl 969 beziehen sich auf Eigenschaften Buddhas, seine Lehre und die der Mönche. Wirathu wirbt für ein Gesetz, dass Buddhisten verbietet, Partner anderen Glaubens zu heiraten. Er hat bereits vier Millionen Unterschriften gesammelt. Die Regierung, klagt Myint Thein, habe bislang niemanden bestraft. „Wir haben zwar keine konkreten Beweise, aber die Auslöser für die Übergriffe ähneln sich, so dass wir vermuten, dass einige Gruppen vorsätzlich handeln.“

Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi führt die Probleme unter anderem auf die gegenseitige Furcht zurück, die auf beiden Seiten herrsche. Die Spannungen würden ihrer Ansicht nach noch durch das weltweite Gefühl angeheizt, dass sich der Islam allenthalben ausbreite.

In jüngster Zeit hat sich Präsident Thein Sein mit Führern beider Religionen getroffen und sie aufgefordert, das Blutvergießen zu beenden. „Einige Gruppen haben den Konflikt vorsätzlich ausgelöst. Er spricht bestimmte Gefühle in der Bevölkerung an, die beide Seiten nicht beherrschen können“, meint der angesehene Mönch Ahshin Kumara aus dem Alodawpyae-Kloster. Die Folge sei ein Vertrauensverlust zwischen den Gemeinschaften, die sich nicht nur weigern, wieder miteinander zu leben, sondern auch Geschäfte miteinander ablehnen.

Das Parlament von Myanmar hat die Vorfälle bislang noch nicht diskutiert. Auch Aung San Suu Kyi kommentierte sie gegenüber den Medien bisher nur indirekt. Ansonsten schweigt sie dazu lieber.