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Archiv-Artikel

Merkel hat Platz genommen

KABINETT Die Kanzlerin ist vereidigt, ebenso ihr Kabinett. Zum Auftakt der schwarz-roten Regierung fordert die Opposition mehr Rechte. Auch SPDler unterstützen das Vorhaben

AUS BERLIN ANJA MAIER

Am Dienstagnachmittag waren schließlich alle im Amt. Die Kanzlerin und ihre fünfzehn MinisterInnen hatten von Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue ihre Ernennungsurkunden in Empfang genommen, wenig später leisteten die Kabinettsmitglieder ihren Amtseid im Parlament.

Wenige Stunden zuvor war Angela Merkel vom Parlament wiedergewählt worden. Es ist ihre dritte Amtszeit. Von den 621 anwesenden Abgeordneten gaben ihr 462 ihre Stimme, das sind 74,4 Prozent. Diesmal gab es 150 Neinstimmen und 9 Enthaltungen. Die komplette Opposition von Linken und Grünen hat 127 Stimmen, war aber nicht vollständig anwesend. Es muss also mindestens 23 Gegenstimmen aus den eigenen schwarz-roten Reihen gegeben haben.

Nachdem Angela Merkel ihren Eid gesprochen hatte, nahm sie ganz vorne rechts auf der Regierungsbank Platz. Die Frau mit der Pilzfrisur auf dem lavendelfarbenen Stuhl: ein Bild, das nun in sein neuntes Jahr geht.

Opposition stärken

Dass an diesem Dienstag auch die Arbeit der Opposition anbrach, machte Gregor Gysi umgehend klar. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, mithin Oppositionsführer vor den Grünen, fordert eine Grundgesetzänderung zur Sicherung der Oppositionsrechte. Nur so könne die Möglichkeit von Normenkontrollverfahren zur Überprüfung von Bundesgesetzen gewährleistet bleiben, sagte Gysi am Dienstag. „Ich hoffe noch, dass Union und SPD uns entgegenkommen. Wenn nicht, prüfen wir sehr energisch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht.“

Linke und Grüne haben im neuen Parlament knapp 20 Prozent der Sitze. Einem Normenkontrollverfahren müssten laut Grundgesetz 25 Prozent der Abgeordneten zustimmen. Bisher haben sich Union, SPD und Linke nur auf eine Verlängerung der Redezeiten für die Opposition geeinigt. Die Grünen sind mit der Lösung sehr unzufrieden.

Dass ein Parlament eine handlungsfähige Opposition braucht, ist offenbar auch eine unter Sozialdemokraten verbreitete Meinung. In einem mit „Oppositionsrechte sichern!“ betitelten Aufruf wandten sich am Dienstag Abgeordnete von SPD, Grünen und der Linken an die Öffentlichkeit. „Unsere Demokratie lebt nicht nur vom Meinungsstreit, sondern muss ihn auch auf Augenhöhe gewährleisten“, heißt es in dem Papier. Für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen etwa soll es künftig ausreichen, dass zwei Oppositionsfraktionen dies beantragen.

Unterzeichner sind Mitglieder der R2G-Gruppe (zweimal Rot, einmal Grün), die informell die Möglichkeit eines rot-rot-grünen Regierungsbündnisses 2017 ausloten. Ein Treffen der Gruppe fand am Montag in Berlin statt. Einer der Unterzeichner des Aufrufs, der Linke-Abgeordnete Stefan Liebich, sagt dazu der taz: „Obwohl große Teile der SPD die Bundeskanzlerin gewählt haben, haben die, mit denen wir uns getroffen haben, versichert, dass wir weiter an der rot-rot-grünen Option arbeiten werden.“ Das, so Liebich, sei „keine Selbstverständlichkeit“.