: Choreographen als Frischzellen-Kur
Späte Förderung für ein oft vernachlässigtes Metier: Der Weiterbildung und Vernetzung sollen die in neun Städten entworfenen Konzepte zur Belebung der Tanzszene dienen. Im Gespräch: Kerstin Evert, Hamburger Leiterin des Projektes „Tanzplan“
taz: Im Rahmen des von der Bundeskulturstiftung geförderten „Tanzplan“-Projekts ist Hamburg die Höchstfördersumme von 1,2 Millionen Euro zugesprochen worden. Ein Schwerpunkt des Hamburger Konzepts liegt auf der Choreographen-Weiterbildung. Mangelt es Hamburg daran?
Kerstin Evert: Was Hamburg in jedem Fall braucht, ist eine Stärkung der freien Szene. Da bot es sich an, auf die Förderung junger Choreographen zu setzen. Wir werden also für jeweils neun bis zehn Monate drei Choreographen für das „Residence“-Programm nach Hamburg holen. Sie werden mit Projektgeldern ausgestattet, und am Ende ihres Aufenthalts soll eine Premiere stehen. Außerdem werden wir regelmäßig Trainingsprogramme für Tanzschaffende anbieten – sowie Kurse, in denen junge Künstler an produktionspraktische Dinge wie Akquise, die Erstellung von Anträgen und Konzepten und anderem herangeführt werden.
Ist das Programm also ausdrücklich für frisch ausgebildete Choreographen gedacht?
Nein. Wir zielen auf junge Künstler, die schon erste Erfahrungen gemacht haben und dies als Weiterqualifikation betrachten.
Welchen Gewinn bringt dies für die Hamburger Szene?
Wir hegen die Hoffnung, dass einige der Choreographen in Hamburg bleiben und die hiesige Szene stärken.
Wie wird das neue Choreographie-Zentrum, das ab Sommer 2007 in der Hamburger Theaterfabrik Kampnagel residieren soll, aussehen?
Eine derzeit für Ausstellungen genutzte Halle wird so umgebaut, dass zwei Studios und ein Seminarraum entstehen. Trainings, Workshops und Kurse für Profis sollen dort stattfinden. Außerdem wird es ein Mentoren-Projekt geben, in dessen Rahmen erfahrene Choreographen den jüngeren zur Seite stehen.
Wie gestaltet sich das speziell auf die Hamburger Tanzschaffenden bezogene Segment des Tanzplans?
Die städtischen Projektgelder für Tanz werden um 100.000 Euro aufgestockt. Diese Summe stammt aus den 1,2 Millionen Euro, die die Stadt – analog zur Förderung der Bundeskulturstiftung – beigesteuert hat. Zusätzlich werden 100.000 der 300.000 Euro, die bislang für Tanz- und Theaterprojekte in den Hamburger Kulturhaushalt eingestellt sind, speziell für den Tanz abgetrennt. Heraus kommen also 200.000 Euro, um die sich die Hamburger Tanzschaffenden jährlich bewerben können.
Sie wollen in Hamburg mit dem Studiengang „Performance Studies“ kooperieren. Was ist da konkret geplant?
Wir wollen Theorie und Praxis des Tanzes enger zusammenbringen. Denn Tanz existiert natürlich nicht nur als körperlicher Ausdruck. Es gibt hier – genau wie beim Theater – zum Beispiel eine reiche Historie, die aber nirgends vermittelt wird. Diese inhaltlichen Aspekte möchten wir durch Veranstaltungen wie Kurse, Einführungen und Vorträge ändern.
Dem Tanzplan-Konzept zufolge soll sich die Hamburger Tanzszene jetzt „angemessen“ entfalten können. Wo liegen deren aktuelle Defizite?
Unter anderem im mangelnden Zuzug junger Künstler von außen. Außerdem fehlten ausreichende Projektgelder. Auch ein zentraler Ort, an dem sich Tanzschaffende weiterbilden und treffen können, existierte bislang nicht. All das wollen wir mit Hilfe der erwähnten Maßnahmen ändern.
Das bundesweite „Tanzplan“-Projekt ist auf fünf Jahre angelegt. Wie wird es danach weitergehen?
Über die Hamburgische Politik nach 2010 kann ich natürlich noch nichts sagen. Klar ist aber, dass die Bundeskulturstiftung durchaus Wert auf Nachhaltigkeit legt. Außerdem entsteht durch den Umbau der Kampnagel-Halle zum Choreographischen Zentrum ja auch eine gewisse Verpflichtung.
INTERVIEW: PETRA SCHELLEN