: Antikorruptionsbehörde dank Hungerstreik
INDIEN Nach jahrzehntelanger Verzögerung stimmt das Parlament für eine Antikorruptionsbehörde
BANGKOK taz | Das indische Parlament hat am Mittwoch nach vielen Verzögerungen die Einrichtung einer unabhängigen Antikorruptionsbehörde beschlossen. Sowohl die regierende Kongresspartei als auch die oppositionelle hindunationalistische Volkspartei (BJP) stellten sich zuletzt hinter ein entsprechendes Gesetz.
Nur die Abgeordneten der Samajwadi-Partei, die Teil der Regierungskoalition ist, verließen aus Protest gegen das Gesetz den Plenarsaal. Parteichef Mulayam Singh bezeichnete das Gesetz als „gefährlich“, weil dadurch Entwicklungsprojekte „behindert“ werden könnten und der Premierminister von „Polizeibeamten mit niedrigem Dienstgrad“ befragt werden könnte.
Die Idee zur Einrichtung einer unabhängigen Antikorruptionsbehörde stammt aus den 1960er Jahren. Indiens Politiker haben das Vorhaben jedoch immer wieder in der Schublade verschwinden lassen. Erst nach einer Reihe teilweise massiver Antikorruptionsproteste, die 2010 begannen, stimmte das Unterhaus vor zwei Jahren für die Einrichtung einer solchen Behörde. Im Oberhaus kam es jedoch deswegen zu Tumulten. Zahlreiche Abgeordnete stellten sich offen dagegen. Mehr als zwei Jahre lang kam keine Abstimmung zustande. Erst am Dienstag rang sich auch das Oberhaus durch, für die Verabschiedung des Gesetzes zu stimmen.
Zu dem Sinneswandel dürfte beigetragen haben, dass die Kongresspartei kürzlich bei Wahlen in vier Bundesstaaten gegen die hindunationalistische BJP verloren hat. Besonders gravierend war die Niederlage in der Hauptstadt: Dort schnitt sogar die erst vor einem Jahr gegründete Aam- Aadmi-Partei (AAP), die „Partei des Normalbürgers“, besser ab. Die AAP ist aus den Antikorruptionsprotesten 2010 hervorgegangen. 2014 sollen landesweite Parlamentswahlen stattfinden. Anna Hazare, einer der Anführer der damaligen Proteste, setzte sich auch dieses Mal mit einem neuen mehrtägigen Protestfasten für das Gesetz ein.
Er und seine Anhänger feierten am Mittwoch die Verabschiedung des Gesetzes in seinem Dorf im zentralindischen Bundesstaat Maharashtra. Vor allem Angehörige der städtischen Mittelschichten hatten den 76-Jährigen zunächst als Helden gefeiert. Schließlich stammt seine Taktik von keinem Geringeren als Mahatma Gandhi. Erst als Hazare immer fragwürdigere Forderungen aufstellte – wie etwa die Todesstrafe für korrupte Politiker und Beamte – wandten sich viele von ihm ab. SASCHA ZASTIRAL