piwik no script img

Archiv-Artikel

21:0 gegen den Führer

VERGANGENHEIT In Dietramszell in Oberbayern ist Hitler nicht mehr Ehrenbürger

MÜNCHEN taz | Der Herr von der CSU möchte einen Schlussstrich ziehen. „Können wir jetzt abstimmen?“, fragt er. Die Beschlussvorlage sei ja fertig, der Gemeinderat könne die Sache mit dem Hitler beenden. „Nein“, sagt die Bürgermeisterin und ahnt: So einfach geht das nicht.

Dietramszell in Oberbayern ernannte Hitler 1933 zum Ehrenbürger. Mit dem Tod erlischt eine solche Ehrung, trotzdem beschließen viele Städte nachträglich, Nazis als Ehrenbürger zu streichen. Eine Geste, die die Bürgermeisterin in der vergangenen Woche in Dietramszell vorschlug. Doch 8 von 16 Gemeinderäten wollten sich von Hitler nicht distanzieren. „Das ist lange vorbei“, zitierte der Münchner Merkur einen von ihnen.

Die Entscheidung sorgte für Wirbel, mancher Gemeinderat bedauerte sein Votum, und die Bürgermeisterin berief eine Sondersitzung ein. Am Dienstagabend im Schützenheim. „Wir bedauern, dass Dietramszell in der öffentlichen Meinung beschädigt wurde“, liest eine Gemeinderätin ihre Stellungnahme vor. Dann ist ein Bürger an der Reihe, der Autor Peter Probst. „Ihre Entscheidung war peinlich“, sagt er, und dem Herrn von der CSU reicht es auch schon. Abstimmen wolle er, ruft er dazwischen. Aber er muss erst zuhören. Die Entscheidung ergeht kurz darauf einstimmig: 21:0 gegen den Führer. TOBIAS SCHULZE