: Ukraine? Alles Lutscher!
Die erstaunlich schwache Leistung der Ukraine relativiert die starke Vorstellung der Spanier beim klaren 4:0-Sieg
aus LEIPZIG ANDREAS RÜTTENAUER
Spaniens Trainer hatte früh beschlossen, dass das Spiel gegen die Ukraine entschieden ist. Nach 54 Minuten. Beim Stand von 3:0 wechselte Luis Aragones Raúl ein. Jenen einst so treffsicheren Torschützen, der Real Madrid zum Titel in der Champions League führte und Spaniens Nationalmannschaft zu vielen Turnierteilnahmen geschossen hat. Jenen Raúl, der wegen andauernder Formschwäche aus dem Team fiel. Er kam für David Villa, 21, Sturmtalent vom FC Valencia, der gerade seine ersten beiden WM-Tore erzielt hatte. Zeichnet sich in dieser Personalie beim 4:0-Sieg gegen die Ukraine ein Generationswechsel im spanischen Team ab?
Die spanischen Fans unter den 43.000 Zuschauern in Leipzig jedenfalls erhoben sich und feierten Raúl, der mit 29 Jahren schon zu einem Altstar geworden ist. Sie verabschiedeten aber mit ebenso donnerndem Applaus eben David Villa, der per Freistoß (17.) und per Elfmeter (48.) zweimal getroffen hatte.
Kurz zuvor hatte der Schweizer Schiedsrichter Massimo Bussacca die wohl letzte Hoffnung der Ukrainer auf ein Comeback in diesem Spiel zerstört, indem er auf den Elfmeterpunkt zeigte. Wladyslaw Waschtschuk hatte den aufs Tor zustürmenden Fernando Torres an der Hose gepackt. Dafür sah der Verteidiger, der erst zur Pause eingewechselt worden war, die Rote Karte und schlich bedröppelt wieder vom Platz. Die spanischen Fans frohlockten ob der Klarheit des Spiels. Der Rest des Publikums fragte sich: Warum wurde eine Mannschaft, die einen derartigen Steinzeitfußball vorträgt wie die Ukraine, sogar zu einem „Geheimfavoriten“ (Franz Beckenbauer) erklärt.
Nach der Partie wurde viel von der Unerfahrenheit des WM-Neulings Ukraine gesprochen, davon, dass noch kein Spieler Stimmung bei einer Weltmeisterschaft hat erleben dürfen. Aber ist das der Grund für solch eine hilflose Leistung? In unfassbar langsamem Tempo bewegten sich die Ukrainer vorwärts. Trainer Oleg Blochin fand keine Begründung für den überaus gehemmten Auftritt seines Teams: „Fernando Torres wollte rennen, wir nicht, das war der Unterschied.“ Blochin war sauer: „Das war eine Schande. Ich kann nicht mit Spielern arbeiten, die nicht wirklich wollen.“
Die ukrainischen Fans waren schon früh ganz ruhig geworden. Nach 17 Minuten führten die Spanier, die mit David Villa, Luis Garcia und Fernando Torres drei Stürmer aufgeboten hatten, mit 2:0. Die Angreifer bewegten sich bisweilen völlig ungestört im Strafraum der Ukrainer – nicht etwa, weil ihre Aktionen genial und zwingend gewesen wären. Eher, weil ihre Gegenspieler höflich zurückwichen. Das relativiert die starke Leistung der spanischen Mannschaft – zumindest ein bisschen.
Nach dem 3:0 spielten sich die Spanier in einen Rausch, der seinen spielerischen Höhepunkt im fein vorbereiteten 4:0 durch Fernando Torres (81.) fand. Das hat auch Luis Aragones gefallen. „Jetzt hoffen wir, dass wir Fortschritte machen, auf dem Weg endlich einmal bei einer WM erfolgreich zu sein“, sagte er, bevor er vor der Stärke des nächsten Gegners warnte. „Erst einmal müssen wir Tunesien schlagen.“
Spanien: Casillas – Sergio Ramos, Pablo, Puyol, Pernía – Marcos Senna, Xabi Alonso (55. Albelda), Xavi – Luis Garcia (77. Fábregas), Villa (55. Raúl), Torres Ukraine: Schowkowski – Jeserski, Russol, Waschtschuk, Nesmatschni – Gussew (46. Worobej), Timostschuk, Gussin (46. Schelajew), Rotan (64. Rebrow) – Woronin, Schewtschenko Tore: 1:0 Alonso (13.), 2:0 Villa (17.), 3:0 Villa (48., Foulelfmeter), 4:0 Torres (81.) Zuschauer: 43.000 (ausverkauft) Schiedsrichter: Busacca (Schweiz) Gelbe Karten: – / Rusol, Yesersky Rote Karte: – / Vashchyuk (47.)