: Zank in der Musterfamilie
Kurze Pässe oder doch hohe Bälle? Die schwedische Nationalmannschaft ist vor dem heutigen Auftritt gegen Paraguay in eine handgreifliche Diskussion über die erfolgversprechendste Spielweise verstrickt
AUS BREMEN ANDREAS RÜTTENAUER
„Gegen Trinidad und Tobago hatten wir viele Chancen und kein Glück. Wenn wir gegen Paraguay wenig Chancen haben und ein bisschen Glück, dann können wir gewinnen“, orakelt Fredrik Ljungberg, schwedischer Mittelfeldspieler. Jetzt soll es das Schicksal richten für seine Mannschaft, die immer noch reichlich ratlos wirkt nach dem 0:0 gegen die Fußballer aus der Karibik. Der Antreiber aus dem linken Mittelfeld antwortet mit breitem Grinsen im Gesicht und vor dem Körper verschränkten Armen auf die Journalistenfragen. Fragt ihr nur, scheint er sich zu denken, von mir bekommt ihr sowieso nicht zu hören, was ihr hören wollt.
Dass ein schlapp wirkender Zlatan Ibrahimovic bei den Sprintübungen auf dem Trainingsplatz vor dem Bremer Weserstadion nur zuschaut, interessiert kaum einen der Journalisten. Denn auch Tage nach dem Spiel gegen Trinidad und Tobago geht es noch immer um die Vorfälle in der Kabine unmittelbar nach dem Abpfiff. Zoff soll es gegeben haben zwischen Ljungberg und Olof Mellberg. Die zwei mochten sich noch nie so recht. Während der WM 2002 haben die beiden schon einmal für Aufruhr gesorgt, nachdem Mellberg seinen Kollegen im Training brutal von den Beinen geholt hatte. „Ich respektiere ihn“, sagte Ljungberg, als er auf sein Verhältnis zu Mellberg angesprochen wird. Sein Lächeln verschwindet. Dann macht er sich daran, etwas richtig zu stellen: „Es hat eine Diskussion gegeben in der Kabine, mehr nicht.“
Die schwedischen Medien präsentieren diese Diskussion allerdings als handfeste Auseinandersetzung zwischen Ljungberg und Mellberg, die von Ibrahimovic geschlichtet werden musste. „Das ist doch klar, dass es nach so einem Spiel Diskussionen gibt“, stellt Ljungberg klar, „wir wollen doch alle nur, dass wir besser spielen.“ Nein, Ljungberg möchte nicht, dass man mehr erfährt über die Vorkommnisse.
Und doch wird deutlich, dass es in der Mannschaft rumort. Die einen glauben, dass der Erfolg mit hohen Bällen, vor allem auf den Kopf den 1,94 Meter großen Ibrahimovic, gesucht werden sollte. Die Ljungberg-Fraktion bevorzugt dagegen das schnelle Kurzpassspiel, das sie aus der englischen Premiere League kennen. Beides wurde in der Partie gegen Trinidad und Tobago versucht, beides hat nicht zum erwünschten Torerfolg geführt. „Ich glaube, wir können besser spielen“, ist sich Ljungberg sicher, der im Verlauf des Gesprächs das Wort „Glück“ dann doch nicht mehr benutzt. Damit widerspricht er seinem Trainer Lars Lagerbäck, der den Ausrutscher gegen Trinidad und Tobago als tragischen Unfall ansieht. „Wir haben gut gespielt, das sollten wir von der Begegnung mitnehmen“, wiederholt er beim Pressetermin am Weserstadion immer wieder.
Die schwedischen Journalisten aber lassen nicht locker. Sie wollen die große Geschichte vom Zwist in der Mannschaft erzählen, die Trainer Lagerbäck vor dem Turnier zu einem Titelkandidaten erklärt hatte. Welche Rolle spielt Ibrahimovic in dem Konflikt? Wie kommt es, dass ausgerechnet er zum Schlichter wird? Ibrahimovic wird der Mellberg-Clique zugerechnet. „Es hat keinen Streit gegeben“, wiederholt Ljungberg, der wahrscheinlich noch nie in seinem Leben so oft das Wort „Diskussion“ verwendet hat wie an diesem Tag. Und Cliquen? „Stimmt es, dass sich rivalisierende Gruppen gebildet haben?“, lautet die nächste Frage. „Das ist doch klar, dass man sich mit den einen besser versteht als mit den anderen“, antwortet Ljungberg. Wieder wird er nach Mellberg gefragt, wieder verschwindet das Lächeln von seinem Gesicht, wieder knurrt er: „Ich respektiere ihn. Mehr gibt es da nicht zu sagen.“
Jetzt mischt sich sein Trainer ein: „Was heißt hier Gruppen? Wir sind hier zusammengekommen, weil wir ein großes Ziel haben, nicht weil wir Freunde sind.“ Wieder horchen die schwedischen Medienvertreter auf. Bislang hatte Lagerbäck stets versucht, den Eindruck zu vermitteln, das schwedische Team sei eine große, harmonische Familie. Das lässt sich nun wohl nicht mehr aufrechterhalten.
Und das Spiel gegen Paraguay? „Es wird ein hartes Match“, sagt Ljungberg. Da wird ihm wohl selbst Olof Mellberg nicht widersprechen wollen.