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Archiv-Artikel

Kulturschock für Ausländerbeauftragte

Die neue Integrationsministerin Maria Böhmer (CDU) geht bei der ersten Bundeskonferenz auf Distanz zu ihren Kollegen aus Ländern und Kommunen. Die Pläne des Innenministers möchte sie nicht kritisieren. Schon ihre Tagesordnungspunkte verärgern

AUS POTSDAMLUKAS WALLRAFF

Von gekünstelter Harmonie hält Maria Böhmer wenig. Sie kam, sah – und ging sofort auf Distanz. Die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung stellte bei ihrem ersten Treffen mit ihren 150 Kollegen aus Ländern und Kommunen fest: „Es gibt Gemeinsamkeiten, aber eben auch klare Unterschiede.“ In einigen Punkten vertrete sie offen eine andere Meinung als die Mehrheit. „Das muss man dann auch aushalten“, sagte Böhmer der taz.

Der CDU-Politikerin fiel das in Potsdam deutlich leichter als anderen Teilnehmern, die an weitgehend einträchtige Konferenzen mit Böhmers grüner Vorgängerin Marieluise Beck gewohnt waren. Diese Einigkeit ist passé. Mit Böhmer, die zur Staatsministerin für Integration im Kanzleramt aufgewertet wurde, wird es mehr Konflikte geben.

So nahm Böhmer ausdrücklich davon Abstand, eine Resolution zu unterstützen, in der die aktuellen Pläne von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Verschärfung des Zuwanderungsrechts abgelehnt wurden. Während die Mehrheit der Beauftragten befand, beim Familiennachzug für Ausländer seien keine Änderungen nötig, schloss sich Böhmer Schäubles Forderung an, dass Familiennachzügler unter 21 schon vor der Einreise nach Deutschland Sprachkenntnisse vorweisen sollten. Das sei nicht zu viel verlangt, erklärte sie. Im Zeitalter der neuen Medien und Computer gebe es auch in Anatolien Möglichkeiten, Deutsch zu lernen. „Es muss ja nicht immer ein Goethe-Institut sein“, sagte Böhmer der taz. Den meisten ihrer Kollegen geht diese Haltung gegen den Strich. Durch die Bedingung der Sprachkenntnisse, so heißt es in der Resolution der Beauftragten, „werden Anforderungen geschaffen, die von einem Teil der Zuwanderer nicht erreicht werden können“. Sie wollen Schäubles Pläne deshalb stoppen.

Auch wenn Böhmer andere Forderungen der Konferenz – wie ein Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge – teilweise mitträgt: Im Zweifel sind ihr die Partei- und Kabinettsdisziplin wichtiger. In Potsdam wurden deutliche Unterschiede erkennbar, was das jeweilige Rollenverständnis angeht. Die meisten Beauftragten fühlen sich vor allem als Interessenvertreter der Migranten: „Wir sind so etwas wie Pflichtverteidiger“, sagte Franz Naber aus Ratingen. Böhmer dagegen hält sich eher an das Regierungsmotto „Fördern und Fordern“. So begrüßte sie kürzlich den Wunsch der CDU-Innenminister, Einbürgerungstests einzuführen. Vor allem die Abgesandten der SPD-regierten Länder haben mit der Neuen große Schwierigkeiten. „Man spürt eine gewisse Enttäuschung“, sagte der Integrationsbeauftragte des Berliner Senats, Günter Piening, der taz. Schon die von Böhmer vorgelegte Tagesordnung stieß bei ihm und anderen auf Widerstand. Statt den gesamten ersten Tag nur über Sprachförderung zu diskutieren, die „im Grunde unumstritten“ sei, wollten sie heikle Themen debattieren – und zwar mit Böhmer, die wegen der gestrigen Kabinettssitzung nur am ersten Tag dabei sein konnte. Böhmer war schließlich zu einer Aussprache bereit – und provozierte das Publikum bewusst. Sie sprach sich dafür aus, dass künftig auch Ausländerbehörden für Integrationsmaßnahmen zuständig sein sollen: „Was ist daran schlecht?“ Viel, meinten zahlreiche Redner. Wer Abschiebungen organisiere, könne kaum integrieren. Böhmer spürte, dass diese Skepsis auch ihr selbst gilt, und bat um „ein Stück Vertrauen“.