: Der Ruf nach Frieden
Kofi Annan kündigte eine zweite Mission für Osttimor an und räumt ein, dass das Land zu früh allein gelassen wurde
VON SVEN HANSEN
UN-Generalsekretär Kofi Annan hat eine neue UN-Friedenstruppe für Osttimor angekündigt. Annan sagte nach einer Sitzung des Sicherheitsrates am Dienstag, er wolle seinen Sondergesandten Ian Martin mit der Vorbereitung einer Mission beauftragen, über die dann der Sicherheitsrat entscheiden wird.
Martin hatte bereits 1999 zur Zeit des von der UN durchgeführten Unabhängigkeitsreferendums die Mission in Osttimor geleitet und war nach Ausbruch der jüngsten Unruhen im Mai von Annan nach Osttimor geschickt worden. In seinem Bericht sprach sich Martin für eine stärkeres UN-Engagement in Osttimor aus. Laut Martin herrsche dort Einigkeit, dass die Vereinten Nationen bei den für 2007 vorgesehenen Präsidentschaft- und Parlamentswahlen eine größere Rolle spielen sollten wie auch bei der Untersuchung der jüngsten Gewalt.
„Es ist offensichtlich, dass die UN nach Osttimor in einer weit größeren Stärke zurückkehren müssen, als sie zurzeit vertreten sind“, sagte Annan. Er bemerkte, dass die UN von Mitgliedsländern gezwungen worden sei, ihre Arbeit in Osttimor frühzeitig zu beenden. Das Mandat der gegenwärtigen, stark reduzierten UN-Mission Unotil sollte ursprünglich am 20. Mai auslaufen, wurde aber um einen Monat verlängert. Annan schätzt, dass die gegenwärtig von Australien geführte internationale Interventionstruppe sechs bis zwölf Monate im Land bleiben und erst dann durch UN-Blauhelme und UN-Polizisten ersetzt wird. Die jetzige Interventionstruppe von rund 2.500 Soldaten und Polizisten aus Australien, Malaysia, Neuseeland und Portugal kam auf Anforderung von Osttimors Regierung. Sie hatte zuvor die Kontrolle über die eigenen Sicherheitskräfte verloren.
In einer vom osttimoresischen UN-Botschafter verlesenen Rede des Außen- und Verteidigungsministers José Ramos Horta bat dieser ausdrücklich um eine UN-Friedenstruppe, an der sich möglichst viele Staaten aus der Region beteiligen sollten. Australiens UN-Botschafter verkündete die Bereitschaft seines Landes, in einer solchen Truppe eine führende Rolle zu spielen. Berichten zufolge signalisierte gestern auch die Regierung Singapurs eine Beteiligung.
Kofi Annan sagte, dass er die UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbor mit der Einrichtung einer Kommission beauftragt hat, welche die Ende April ausgebrochene Gewalt untersuchen soll. Die Krise war durch die Entlassung von 600 streikenden Soldaten, – rund 40 Prozent der Armee – im März ausgelöst worden. Diese hatten sich über Benachteiligungen gegenüber Soldaten aus dem Osten des Landes beklagt. Dort war die Hochburg der antiindonesischen Guerilla, die gegen die 1975 bis 1999 dauernde Besetzung des Nachbarn kämpfte. Osttimors Westen gilt hingegen als Indonesien-freundlicher.
Als Ende April die Proteste in der Hauptstadt Dili eskalierten und sich mit der Gewalt von Jugendbanden mischten, erteilte Premierminister Mari Alkatiri den Schießbefehl. Darauf desertierten Teile der Armee und es kam zur Spaltung der Streitkräfte und Polizei zwischen Ostlern und Westlern. Das Sicherheitsvakuum füllten kriminelle Banden.
Laut einem Hilfsappell des UN-Büros zur Koordinierung der humanitären Hilfe (Ocha) vom Montag flohen 133.000 Menschen vor der Gewalt, davon 70.000 innerhalb Dilis und 63.000 nach außerhalb. Zur Versorgung benötigt die UNO in den nächsten drei Monaten 18,9 Millionen Dollar, wovon sie erst 4,1 Millionen aus ihrem zentralen Nothilfefonds zur Verfügung hat.
In der Hauptstadt Dili, in der inzwischen Ruhe eingekehrt ist, sprach gestern Präsident Xanana Gusmão erstmals seit Ausbruch der Krise vor dem Parlament. Er versprach, sich an die Verfassung zu halten. Damit erteilte er indirekt Forderungen rebellierender Soldaten eine Absage, die Verfassung per Dekret außer Kraft zu setzen, um so den unbeliebten Premier Alkatiri absetzen und vorgezogene Neuwahlen ausrufen zu können. Für den verfassungsgemäßen Weg bräuchte Gusmão dabei die Rückendeckung des Parlaments, in der Alkatiris Partei Fretilin aber 55 der 88 Sitze hat. Somit scheint die Krise zunächst nur mit Alkatiri gelöst werden zu können, was für die Rebellen schwer zu akzeptieren sein dürfte.