: Die Welt zu spät bei Freunden
Selbst zur Fußball-Weltmeisterschaft bekommt die Bahn Zugausfälle nicht in den Griff. Dabei soll auf der Schiene weiter gespart werden: Landesregierung rechnet mit Niederlage im Bundesrat
VON ANDREAS WYPUTTA
Trotz Fußball-Weltmeisterschaft fährt die Bahn weiter ins Chaos. Am Dienstag brach der Verkehr ausgerechnet zwischen den WM-Standorten Köln und Dortmund völlig zusammen. Zwischen Düsseldorf und Dortmund ging wie bereits in der vergangenen Woche nichts mehr. Fahrgäste steckten am bisher heißesten Tag des Jahres stundenlang in nicht klimatisierten S-Bahnen fest, stemmten gewaltsam die Türen auf und stiegen auf offener Strecke aus. „Die Fahrplansituation ist völlig eskaliert“, muss Frank Gassen-Wendler, Sprecher der Bahn in Nordrhein-Westfalen, einräumen. „Teilweise standen unsere Züge auf offener Strecke regelrecht im Stau.“
Ursache für das Bahnchaos sei diesmal Vandalismus gewesen: Unbekannte hätten in Reissdorf bei Köln Signalanlagen zerstört, sagt Gassen-Wendler. Signalkabel seien gestohlen worden – wohl um das Metall später zu verkaufen. Außerdem hätten Weichen wegen der Hitze nicht funktioniert. Zuvor hatte die Bahn Türstörungen, Oberleitungsschäden, Böschungsbrände und defekte Reparaturzüge für Verspätungen und Zugausfälle genannt. „Weitere Pannen können wir uns während der WM auf keinen Fall erlauben“, so der Sprecher.
Dabei droht die Bahn nach dem Fußballfieber noch schlechter zu werden. Heute wird im Bundesrat über das so genannte Haushaltsbegleitgesetz abgestimmt. Das enthält nicht nur die von der großen Koalition in Berlin beschlossene Mehrwertsteuererhöhung, sondern auch massive Kürzungen für den Schienennahverkehr. Bis 2010 will SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bei den Regionalisierungsmitteln, mit denen der Bund den Nahverkehr subventioniert, rund 3,3 Milliarden Euro einsparen. Davon dürften 520 Millionen Euro auf NRW entfallen. Verkehrs- und Fahrgastverbände rechnen damit, dass jede fünfte Verbindung ersatzlos gestrichen wird (siehe Interview unten).
Nordrhein-Westfalens Landesregierung will das Gesetz ablehnen, rechnet aber damit, überstimmt zu werden. „Ich gehe davon aus, dass die von großen Koalitionen getragenen oder mit absoluter Mehrheit regierten Bundesländer zustimmen werden“, so NRW-Bundesratsminister Michael Breuer (CDU) zur taz. Zwar sei die Anrufung des Vermittlungsausschusses denkbar. Dort werde dann aber nur über die Regionalisierungsmittel, nicht über die Mehrwertsteuer gestritten, bekräftigt Breuer die vom Kabinett „einvernehmlich“ beschlossene Ablehnung: „NRW geht seinen eigenen Weg.“
CDU-Landesverkehrsminister Oliver Wittke setzt deshalb auf den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Der SPD-Chef müsse seinen Parteifreund Steinbrück dazu bringen, auf die Kürzungen zu verzichten. Zwar werde es auch noch ein Kamingespräch mit Kanzlerin Merkel geben, so Wittke zur taz – „doch da wette ich nicht drauf“.
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