Russland baut schwimmendes AKW

Mini-Atomkraftwerke sollen die Schiffbauindustrie mit Energie versorgen. Greenpeace fürchtet Piraten und Terroristen

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Russland wird demnächst mit dem Bau des ersten schwimmenden Atomkraftwerks beginnen. Den Vertrag dafür haben der russische Atomkonzern Rosenergoatom und die Werft Sevmasch in dieser Woche unterschrieben. Mit dabei: der russische Atomminister Sergei Kirienko.

Mit den schwimmenden AKW sollen die hohen Kosten der Energieversorgung im russischen Norden gesenkt werden, sagte Jewgeni Welichowder, Präsident des Kurtschatow-Instituts. Das Institut gilt als wissenschaftlicher Thinktank der russischen Atomindustrie. Hier waren die sowjetischen Atomkraftwerke entwickelt worden. Zugleich gilt das AKW als Referenzprojekt: Auch China interessiert sich für die schwimmenden Kraftwerke, will sie aber erst einmal in Betrieb gesehen haben, bis es Aufträge unterzeichnet.

Das neue AKW wird 144 Meter lang und 30 Meter breit sein und eine Kapazität von 70 MW haben. Der Bau soll 2007 beginnen und 2010 beendet sein, sagte Rosenergoatom-Direktor Sergei Obozow bei der Vertragsunterzeichnung. Der Reaktor vom Typ KLT-40 werde die in der Nähe von Archangelsk gelegene Werft Sewmasch und die Stadt Sewerodwinsk mit Energie versorgen.

Die Werft Sewmasch wird das AKW selbst bauen. Sie hatte in den letzten 40 Jahren 120 atomar betriebene U-Boote hergestellt, die meisten davon mit Interkontinentalraketen. Der Idee mit den schwimmenden Kraftwerken ist nicht neu. Bereits 1998 hatte der damalige russische Atomminister Wiktor Michailow bei einem Besuch in Indonesien die Lieferung von Mini-AKW mit einer Kapazität von 70 MW angeboten.

2003 dann hatten sich Vertreter von Rosenergoatom und eine staatliche chinesische Delegation unter Leitung des Präsidenten der staatlichen chinesischen Ex- und Importeurs Maschimpex in Moskau getroffen, um über die Nutzung von in Russland gebauten schwimmenden AKW zu sprechen. Eingesetzt werden sollen diese in der chinesischen Schiffsbauindustrie. Auch Indonesien, Malaysia, Thailand und Südkorea sind interessiert. In Russland selbst sind die schwimmenden Mini-AKW nach Angaben von Rosenergoatom-Chef Obozow für elf Regionen vorgesehen. Allerdings wird das Projekt nicht überall mit der gleichen Begeisterung aufgenommen. So erklärte Wiktor Luzin, Direktor des Energiekonzerns Kamtschatskenergo, rigoros, dass Kamtschatka keinerlei AKW brauche.

Umweltschützer warnen schon lange vor den Plänen der russischen Atomwirtschaft. Die russische Sektion von Greenpeace wandte sich schon im vergangenen Jahr direkt an den Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Nach ihren Angaben sollen auf den Mini-AKW bis zu 960 Kilogramm waffenfähigen Urans gelagert werden. Deshalb könnten sie leicht Opfer von Terroristen oder Piraten werden. Und nicht nur das: Auch eine Naturkatastrophe wie etwa der Tsunami Ende 2004 hätte verheerende Folgen.

Doch der russische Atomminister Kirienko wiegelt ab. Jahrzehntelange Erfahrungen der Werft im Bau von mit Atomkraft betriebenen Schiffen belegten, dass das Bauprojekt in guten Händen sei. BERNHARD CLASEN