Musik für den Widerstand

Mit Russland-Appeal: Im Kölner Friedenspark findet heute das zweite Edelweißpiratenfestival statt. 20 Bands spielen zu Ehren der Widerstandskämpfer, die lange als Kriminelle diskreditiert wurden

VON STEPHAN GROßE

Lange waren sie verrufen, geächtet, galten als Kriminelle. Als Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime wurden die Edelweißpiraten erst vor wenigen Jahren offiziell anerkannt. Seither wird immer öfter auf die Gruppen, die gegen die braune Pest ankämpften, aufmerksam gemacht: Eine Ausstellung im Kölner NS-Dokumentationszentrum, ein Denkmal für hingerichtete Piraten in Köln-Ehrenfeld, ein Film – die Würdigung der Jugendgruppen ist umfangreich. Und auch an die Musiktradition der Edelweißpiraten wird erinnert. Heute zum Beispiel: beim zweiten Edelweißpiratenfestival im Kölner Friedenspark.

Anders als bei der Festival-Premiere im vergangenen Jahr steht die Veranstaltung diesmal unter einem Motto: „Russlandromantik“. „Es gibt eine klare Verbindung zu Russland, die vor allem über das Liedgut zustande kommt“, erklärt Jan Krauthäuser von Humba Efau, der das Festival veranstaltet. Seit Jahren schon engagiert sich der Kölner Verein dafür, dass die Edelweißpiraten und ihr Protest gegen die Nationalsozialisten nicht in Vergessenheit geraten. Und dass die bündisch organisierten Jugendlichen nicht länger als Kriminelle diffamiert werden.

Zunächst verbrachten die Jugendlichen bloß ihre Freizeit gemeinsam, sie veranstalteten Zeltlager, trafen sich in Parks zum Singen. Ihre Zusammengehörigkeit signalisierten sie unter anderem mit einem Edelweiß am Revers. Sie wollten sich absetzen von der Hitlerjugend, verweigerten sich der dortigen Indoktrinierung und zunehmenden Militarisierung. Damit gerieten sie in Widerspruch mit dem NS-Regime, das entsprechend gegen sie vorging. Aus der Lagerfeuerromantik wurde aktiver Widerstand: Die Edelweißpiraten versteckten verfolgte Juden, halfen Zwangsarbeitern, druckten und verteilten regimefeindliche Flugblätter. Auch an Attentaten auf NS-Funktionäre waren sie beteiligt. Viele von ihnen bezahlten ihr couragiertes Handeln mit Haft – und oft auch mit dem eigenen Leben.

Halt bot den Piraten stets die Musik. Deshalb werden beim Edelweißpiratenfestival im Friedenspark der Kölner Südstadt heute Nachmittag auf fünf Bühnen gut 20 Bands und Solo-Künstler auftreten. Unter anderem ist die Reggae-Truppe La Papa Verde, Liedermacher Rolly Brings mit seiner Band und Klaus der Geiger dabei. Aufgeführt wird auch das Musical „Ahoi Edelweiß“, das sechzig Kinder und Jugendliche des Jugendzentrums Bauspielplatzes Friedenspark erarbeitet haben. Das Stück ist eine poetische Erzählung von dem Wunsch nach einem respektvollem Umgang miteinander, der auch in schwierigen Zeiten möglich sein soll.

Auf die wenigen Kritikpunkte, die nach der Festivalpremiere im Vorjahr geäußert worden waren, sind die Veranstalter eingegangen. So sind die Künstler dazu angehalten, mehr Edelweiß-Liedgut in ihr Programm aufzunehmen. Um für einen gewissen Russland-Appeal zu sorgen, sollen daneben verstärkt Lieder aus dem Fundus der bündischen Jugend über das Gelände schallen. „Es wird spannend, über den gängigen Multikulti-Begriff hinaus auf die gemeinsame Kulturgeschichte von Deutschen und Russen zu blicken“, so Organisator Krauthäuser. Nach dem Auftakterfolg 2005 mit mehr als 4.000 Besuchern hat sich die Veranstaltung schon fast zu einer Institution entwickelt. Schon jetzt steht fest: Das Festival wird jährlich als Erinnerung an die Anti-Nazi-Jugend stattfinden.

Köln, Friedenspark, ab 14:30 UhrInfos: 0221-9322211