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Archiv-Artikel

Parlament will mitwirtschaften

EU-GIPFEL Parlamentspräsident Jerzy Buzek forderte von den Staatschefs eine starke Beteiligung von Kommission und Abgeordneten an der geplanten Wirtschaftsregierung

Mit Blick auf Spanien beschwichtigten die Staatschefs die Finanzmärkte

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten haben sich gestern in Brüssel darauf verständigt, ihre Wirtschaftspolitik in Zukunft enger abzustimmen. Sie einigten sich auch auf Wachstumsziele, die sie bis 2020 EU-weit erreichen wollen, darunter eine Bildungs- und eine Beschäftigungsquote sowie Forschungsausgaben von drei Prozent des jeweiligen nationalen Budgets. In die internationalen Finanzverhandlungen Ende Juni in Kanada will die EU möglichst mit einer einheitlichen Forderung nach strengerer Finanzaufsicht, einer Bankenabgabe und einer Finanztransaktionssteuer gehen. Die genaue Formulierung war aber bis Redaktionsschluss umstritten.

Geht es nach der Bundesregierung, dann machen die europäischen Regierungschefs die innerhalb der EU geplanten Finanz- und Wirtschaftsreformen untereinander klar. EU-Kommission und Europäisches Parlament sollen sich da raushalten.

Ganz anders sieht das der Präsident des Europaparlaments. Gestern morgen stattete er den Gipfelteilnehmern den üblichen Höflichkeitsbesuch ab – doch er beschränkte sich nicht auf die allgemeinen Floskeln, die sein Vorgänger Hans-Gert Pöttering gern bemüht hatte. Jerzy Buzek redete Tacheles.

Drei Botschaften hatte er im Gepäck. Das Vertrauen in die europäische Wirtschaft könne nur durch einen harten Sparkurs wiederhergestellt werden. Das dürfte die Kanzlerin gern gehört haben. Auch dass Buzek neue Strukturen für die geplante „Wirtschaftsregierung“ für überflüssig hält und sie nicht auf die Eurozone beschränken will, dürfte ihr gefallen. Dass aber an den nötigen Haushalts- und Strukturreformen alle drei Institutionen – Rat, Parlament und Kommission – beteiligt werden, will sie verhindern. „Wirksame ökonomische Koordinierung setzt voraus, dass die Kommission neue Instrumente an die Hand bekommt, um ihre Verantwortung wahr zu nehmen“, glaubt hingegen Buzek.

Eurostat müsse zum Beispiel noch weitreichendere Kompetenzen erhalten und bei Betrugsverdacht unabhängig ermitteln können. Die Instrumente des Stabilitätspakts müssten mit der neuen Wachstumsstrategie verknüpft werden, die für die Zeit bis 2020 klar umrissene Ziele für Beschäftigung, Bildung, Klimagase, Armutsbekämpfung und Forschung festlegt. Zwei dieser Ziele – die Bildungsquote und der Kampf gegen Armut – werden aber in Berlin skeptisch gesehen. Beim Thema Bildung verweist die Bundesregierung auf die Zuständigkeit der Länder. Das Ziel, in den kommenden zehn Jahren 20 Millionen Europäer aus der Armut heraus zu führen, hält sie für schwer messbar. Deshalb wurden die entsprechenden Passagen in der Schlusserklärung so formuliert, dass jedes Land eigene Kriterien zugrunde legen kann.

Mit Blick auf Spanien beschwichtigten die Staatschefs die Finanzmärkte. „Mir liegen keine Erkenntnisse vor, die mich annehmen ließen, das Spanien sich in einer anderen Lage befinden würde als es noch vor Wochen stand“, sagte Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. „Spanien hat ein sehr ernsthaftes Konsolidierungsprogramm vorgelegt.“ In den vergangenen Tagen hatte es Spekulationen gegeben, der Regierung in Madrid müsse mit einem Hilfspaket von 250 Milliarden Euro geholfen werden. Das hatte diese aber bestritten.