: Streber und Sitzenbleiber
BILDUNG Neuer Bildungsbericht: Kluft zwischen Gutgebildeten und Unwissenden wächst. Jedes dritte Kind wächst in einer Familie auf, die arm, arbeitslos oder wenig gebildet ist
VON ANNA LEHMANN
Deutschland driftet im Bildungsbereich auseinander. Auf der einen Seite profitieren immer mehr Kinder von Bildungsangeboten. Der Anteil jener Kinder, die im Windelalter pädagogisch gefördert werden ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Es gibt einen anhaltenden Run auf die Gymnasien. Auf der anderen Seite wächst jedes dritte Kind bei Eltern auf, die arm sind, keine Arbeit haben oder gerade mal den Hauptschulabschluss. Jeder Sechste zwischen 20 und 30 Jahren hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. „Die Bildungskluft wird größer“, so das Fazit von Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut , einer der Autoren des Berichts.
Aller zwei Jahre geben die Kultusminister der Länder eine Gesamtschau des deutschen Bildungswesens heraus. Der aktuelle Bericht schaut in die Zukunft und prognostiziert, wie sich Kindergärten, Schule, Hochschule und Beruf vor dem Hintergrund sinkender Kinderzahlen verändern werden. Das Wissenschaftlerteam unter Leitung des Deutschen Institut für Internationale pädagogische Forschung (DIPF) hat dafür Statistiken aller Bildungsbereiche ausgewertet.
Das Bildungswesen der Zukunft stehe vor neuen Herausforderungen, so die Forscher. Die Geburtenzahlen sinken zwar und damit lösen sich manche Probleme von selbst. So ist der Anteil der Jugendlichen, die nach der Schule keine Lehrstelle finden und übergangsweise in Beschäftigungsmaßnahmen geparkt sind seit 2005 von knapp 40 Prozent auf 35 Prozent gesunken.
„Das Übergangssystem schrumpft, aber die Probleme bleiben“, meint Horst Weishaupt vom DIPF. Der Anteil der jungen Leute ohne Berufsabschluss sei mit 17 Prozent beängstigend hoch. „Auch ein Effekt dessen, dass viele derjenigen, die durchs Übergangssystem gegangen sind, am Ende doch keine Lehrstelle gefunden haben.“ 40 Prozent der Hauptschüler und lediglich ein Viertel der Jugendlichen ohne Schulabschluss fanden 2008 eine reguläre Lehrstelle.
Die Hälfte der Jugendlichen ohne Schulabschluss kommt aus Förderschulen, einer Schulform, die steigende Schülerzahlen verzeichnet. Derzeit lernen 400.000 Kinder separiert von Allgemeinschülern, der EU-weit höchste Anteil.
Menschen, die keinen Schulabschluss oder nur den Hauptschulabschluss haben sind besonders gefährdet als Hartz-IV-Empfänger Karriere zu machen. Die Forscher sagen voraus, dass 1,3 Millionen Geringqualifizierte dauerhaft keine Arbeit haben werden.
Die latente Krise der beruflichen Bildung wirkt sich auch auf die nächste Generation aus. Der Anteil der Kinder, deren Eltern keinen allgemeinen Schulabschluss haben, ist seit 1996 auf vier Prozent gestiegen. Bund und Länder wollen in den nächsten Jahren zusätzliche Milliarden für Bildung ausgeben, konnten sich aber vergangene Woche nicht einigen, wie.