: Ungeliebter Hausbesuch
Wirtschaftssenator Gunnar Uldall hat angekündigt, die Kontrollen von Hartz-IV-Leistungsempfängern zuverstärken. Den „Außendienstmitarbeitern“ die Wohnungstür öffnen müssen die aber nicht
von ELKE SPANNER
„Hausbesuch“ ist ein harmloses Wort. Gegen Gäste ist grundsätzlich nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Seit Ende Februar aber lugen viele Empfänger vonArbeitslosengeld II erst skeptisch durch den Spion ihrer Wohnungstür, ehe sie diese öffnen. Seither unterhält die Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II (Arge) einen so genannten Betreuungsdienst – auch das ein freundlicher Begriff. Dessen Hausbesuche allerdings sind weniger freundschaftlicher Natur: Die Arge-Außendienstler überprüfen, ob die Leistungsempfänger bei ihrem Antrag gemogelt haben. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) kündigte diese Woche an, diese Kontrollen künftig noch auszuweiten.
Die Kontrollen zu verstärken geht zurück auf den Plan der Bundesregierung, Missbrauchsfälle beim Hartz IV-Bezug aufzuspüren und zu verfolgen. Am 1. August tritt voraussichtlich das „Optimierungsgesetz“ in Kraft. Das verpflichtet alle Länder zur Einrichtung eines Betreuungsdienstes – wie er in Hamburg längst existiert. Arge-Sprecher René Tollkühn weiß über 284 Fälle zu berichten, in denen der Betreuungsdienst bisher tätig wurde.
Ehe die Außendienstmitarbeiter zum Hausbesuch an der Wohnungstür klingeln, versuchen sie zunächst, telefonisch Kontakt zum Hartz-IV-Empfänger aufzunehmen. Nimmt der den Hörer mehrfach nicht ab, steht eines Tages unangemeldet der Außendienstmitarbeiter der Arge vor der Tür.
Der Betreuungsdienst schaltet sich Tollkühn zufolge ein, wenn die Arge „Grund zur Annahme hat, dass jemand falsche Angaben gemacht hat“. Verdachtsfälle entstehen manchmal durch Auffälligkeiten beim Abgleich der Daten mit den Rentenversicherungen oder Banken, manchmal schlicht durch Denunziation. Misstrauisch wird die Arge auch, wenn Mann und Frau zusammenleben und behaupten, eine Wohngemeinschaft zu sein. Da reisen die Außendienstler schon mal an, um zu überprüfen, ob es in der Wohnung nicht doch ein gemeinsames Bett oder einen gemeinsamen Korb für die Schmutzwäsche gibt – und somit eine Bedarfsgemeinschaft besteht, in der die Mitglieder füreinander aufkommen müssen (siehe Text unten).
So ein Hausbesuch setzt die Leistungsempfänger enorm unter Druck. Sozialberaterin Irene Bauerschmidt vom Diakonischen Werk aber entwarnt: Zwar sind die Leistungsempfänger verpflichtet, der Arge Auskunft zu geben. Wer Angaben verweigert, hat deshalb mit Sanktionen zu rechnen. Zum Türenöffnen aber besteht keine Pflicht. Die Behörden haben zwar grundsätzlich das Recht, die behaupteten Lebensverhältnisse eines Leistungsempfängers in Augenschein zu nehmen. Der aber hat wiederum das Recht, das Betreten der Wohnung abzulehnen. „Das allein darf keine Konsequenzen haben“, sagt Bauerschmidt. Das ist die Theorie. Die Praxis aber ist, dass ein Verweigerer der Arge als unkooperativ gilt – was deren Skepsis eher noch nährt. Deshalb empfiehlt Bauerschmidt den Ratsuchenden, nach dem Hausbesuch umgehend selbst Kontakt mit der Arge aufzunehmen und anzubieten, zur Klärung der streitigen Punkte in deren Büro zu kommen – oder einen Termin für einen angemeldeten Hausbesuch zu verabreden.
Dieser Rat wird in Zukunft noch wertvoller werden. Denn hinsichtlich der Frage, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt oder nicht, wird die Beweislast im Optimierungsgesetz umgekehrt. Zurzeit muss noch die Arge beweisen, dass statt der behaupteten WG ein Paar in der Wohnung lebt. Künftig haben die Bewohner selbst den Nachweis zu erbringen, dass sie trotz der gemeinsamen Wohnung keine Lebensgemeinschaft führen. Und dieser Nachweis ist mit dem Zuschlagen der Wohnungstür vor dem Außendienstler eher nicht erbracht.