: Wie wir wohnen werden
ZUKUNFT Wie könnte eigentlich die Stadt des 21. Jahrhunderts aussehen? Die Internationale Bauausstellung (IBA) in Hamburg will mit vier Projekten Antworten auf diese Frage finden
Die Hybride Wand des Architekturbüros Querkraft interpretiert die Vorgabe der IBA, Häuser zu entwerfen, die sich den Wünschen der Bewohner anpassen, sehr radikal mit nichts als zwei Begrenzungswänden. Das Gebäude steht auf einem circa 2.000 Quadratmeter großen Grundstück und hat eine Nutzfläche von 1.660 Quadratmetern. Insgesamt gibt es sieben Wohneinheiten auf bis zu fünf Etagen. Es gibt einen beliebig kombinierbaren Bausatz von Deckenelementen, Treppen, Trennwänden und Sanitärelementen, die über ein Stecksystem zwischen die Wände gehängt werden. ILK
VON ILKA KREUTZTRÄGER
Wir könnten künftig in Häusern wohnen, die an hohe, schlanke Bücherregale erinnern, wenn es nach dem Entwurf des österreichischen Architekturbüros Querkraft geht. Ihr Haus der Zukunft besteht lediglich aus zwei Seitenwänden, in denen die gesamten haustechnischen Versorgungsleitungen verschwinden, und einem Flachdach. Dazwischen ist zunächst einmal nur ein leerer Raum. Wie der genutzt wird, liegt ganz bei den künftigen Bewohnern.
Das Haus, das die Architekten „Hybride Wand“ nennen, wird mit einem Bausatz aus Deckenelementen, Treppen und Trennwänden geliefert, die per Stecksystem zwischen die Wände gehängt werden. Mit diesem Prinzip Baukasten lassen sich die 60 bis 240 Quadratmeter großen Wohnungen immer wieder umorganisieren und sich den ändernden Lebensumständen seiner Bewohner anpassen. Was erst eine Ebene zum Arbeiten ist, kann zu zwei separaten Kinderzimmern umgesteckt werden und später beispielsweise zu einer Galerie. Ein Haus für Menschen, die heute schon gern ihre Möbel rücken und künftig eben auch ihre Wände.
Der architektonische Entwurf „Hybride Wand“ ist Teil der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Hamburg, die sich in die Tradition vorangegangener Bauausstellungen stellt und Modelle für die künftige Stadt entwickeln will. Bis 2013 soll unweit des Wilhelmsburger S-Bahnhofes auf einem bisher brachliegenden 40.000 Quadratmeter großen Gelände südlich der Neuenfelder Straße eine Art visionärer Musterhauspark mit Bauideen für das 21. Jahrhundert entstehen. Die Besucher dieser „Bauausstellung in der Bauausstellung“ können sich Häuser wie die „Hybride Wand“ dann ansehen und sich ein Bild vom möglichen Wohnen in der Zukunft machen.
Die IBA Hamburg hat zusammen mit der Hamburger Finanzbehörde ein Ausschreibungsverfahren für die vier verschiedenen Themenfelder Hybrid Houses, Smart Material Houses, Smart Price Houses und Water Houses durchgeführt und 22 der eingereichten Entwürfe ausgewählt. Für etwa die Hälfte dieser Entwürfe sind bereits Investoren gefunden. Noch keinen Investoren hat die Wohnwerkstatt Wilhelmsburg des Wiener Architekturbüros X Architekten gefunden. Ihr Entwurf wurde in der Kategorie Smart Price Houses, also schön und preiswert Bauen, ausgewählt. „Im preiswerten Geschosswohnungsbau unkonventionelle Wohnformen zu finden, wie es die IBA gefordert hat, ist nicht so leicht“, sagt Rainer Kasik von den X Architekten. „Wir haben uns deswegen für Loftwohnungen entschieden, die nur mit Dusche, WC und Kochstelle ausgestattet sind und können so günstigen Wohnraum schaffen.“
Der Bewohner bekommt also nur die nackten vier Wände und sonst nichts. Das Neue daran: In Workshops bringen die Architekten den Hausbewohnern dann bei, wie man eine Trockenbauwand einzieht oder eine Kachel verlegt. „Die Investoren tun sich aber noch schwer mit unserem Ansatz“, sagt Kasik, „denn die wollen letztlich marktreife Häuser, die sie schnell loswerden können.“
Aber um marktreife Häuser soll es bei der Internationalen Bauausstellung eben nicht gehen, sondern um noch nicht Erprobtes. Es sollen Ideen umgesetzt werden, die das Bauen im 21. Jahrhundert verändern können. In den 1940er bis 1960er Jahren wurden in den USA solche Case Study Houses, also kostengünstige Modellhäuser wie jetzt in Hamburg, gebaut, mit denen das Wohnen neu gedacht wurde. Bei der IBA in Hamburg liegt der Fokus vor allem im Bereich des ökologischen Bauens.
Sämtliche Entwürfe entsprechen dem Passivhausstandard und die Smart Material Houses gehen noch einen Schritt weiter. Sie arbeiten mit Techniken und Materialien, die ohne manuelle Regelung auf verändernde Umweltbedingungen wie Sommer oder Winter, Regen oder Sonne reagieren.
So beispielsweise der Entwurf „Solar Layer House“ des Hamburger Architekten Peter Olbert. Kern von Olberts Entwurf ist die mit Photovoltaikmodulen Strom erzeugende Fassade aus Verbundssicherheitsglas und Isolierverglasung. Oder das Haus-im-Haus-Prinzip des Grazer Architekturbüros Splitterwerk, das aus einer Außenhülle mit Algen zur Energieerzeugung und Regelung des Lichteinfalls besteht.
Eines kann man für das künftige Wohnen aus den Entwürfen bereits jetzt ablesen: Von starren Wänden und unverrückbaren Geschossaufteilungen werden wir uns wohl verabschieden. Stattdessen werden wir in Passivhäusern leben, die selbst Strom erzeugen und in denen uns intelligente Materialien das Gardine auf- und zuziehen abnehmen.