: berliner szenen Sauficker oder Sohn sein
Neue Beschimpfungen
Neukölln ist, logo, der Todeskiez Nummer eins. Auf dem Weg zum Bäcker muss man über niedergestochene Schüler steigen, andere versuchen einen mit schwer infizierten Messern zu meucheln, Dritte verstehen die deutsche Sprache nicht, und wenn man beim Bäcker bezahlen will, ist das Portemonnaie geklaut! Doch zumeist ist das Verbrechen in Neukölln nicht so spektakulär, wie alle meinen. Im Gegenteil, man lernt sogar. Und zwar: neue Beschimpfungen.
Diese Beschimpfungen werden einem von losgelassenen Vierzehnjährigen in maschinengewehrsalvenartiger Abfolge dargeboten. Es klingt etwa so: „Ey X, X, X, komm doch, du X, ey, X, ey!“ Setzen Sie beim Lesen bitte anstelle des X ein beliebiges neues Schimpfwort. Der Ausruf „Du Sauficker, Sauficker, Mann, du Sauficker nervst echt voll“ ist einer, an den ich mich gewöhnt habe, auch die Bezeichnung „Ascheloche“ trage ich mit Würden.
Am letzten Donnerstag lernte ich wieder etwas dazu. Ein pubertär vor sich hin giggelnder Junge rief einem anderen auf der Straße zu: „Du bist doch der Sohn von Bush, bist der Sohn von Bush, von Bush der Sohn bist du.“ Diese Form der Schmähung kannte ich noch nicht. Und ich hielt sie zunächst noch für eine Verirrung. Doch tags darauf sagte ein Mädchen zu einem anderen: „Das ist voll ein Sohn von Hitler, so einer ist der.“ Ich verfiel ins Grübeln. Hatten wir es hier mit einer Abwandlung des beliebten „Son of a bitch“ zu tun, einer Variante von Hurensohn?
Gestern war ich dann das Opfer: „Ey, du bist echt so ein Sohn von Schäuble, Mann, so'n Schäublesohn, ey!“, bellte es mir aus dem Mund eines Pubertierenden entgegen. Und ich, ich war tatsächlich beleidigt. Sie haben es also doch geschafft!
JÖRG SUNDERMEIER