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Abschiebung in bosnisches Heim

Vier Kinder will die Ausländerbehörde nach Bosnien abschieben. Die psychisch kranke Mutter ist nach ihrer Abschiebung im vergangenen Jahr verschwunden

Erneut plant die Ausländerbehörde eine Abschiebung, die auf Unverständnis stößt. Vier Kinder im Alter von 9 bis 15 Jahren will das Amt jetzt nach Bosnien abschieben – in ein Kinderheim. Denn der Aufenthaltsort der Mutter, die bereits im vergangenen Jahr abgeschoben wurde, ist unbekannt. Die an Schizophrenie leidende Frau, die in Bosnien nach Aussagen ihrer Familie nicht mehr medikamentös behandelt werden konnte, ist seit Monaten verschwunden.

Seit der Abschiebung von Mutter Hanusa V. im Februar 2005 kümmert sich Großvater Milos S. um die Kinder Dajana (15), Milan (14), Angelina (12) und Dusko (9). S. hat auch die Vormundschaft für seine Enkelkinder übernommen. Einen sicheren Aufenthaltstitel bekamen diese dennoch nicht. Sie lebten bislang mit verlängerten Duldungen in Berlin. Die vier sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien und gehören zur Volksgruppe der Roma – doch nur eines der Kinder hat sein Herkunftsland jemals gesehen, die anderen sind hier geboren.

Nun will die Ausländerbehörde Ernst machen. Die Pässe der vier Kinder wurden einbehalten und sollen ihnen erst bei ihrer Ausreise am Flughafen wieder ausgehändigt werden. Diese Maßnahme sei notwendig geworden, da Milos S. es abgelehnt habe, „einer gütlich vereinbarten freiwilligen Ausreise“ zuzustimmen, teilte der zuständige Sachbearbeiter dem Vormund und Großvater der vier Kinder schriftlich mit. Die Kinder hätten sich am 7. Juli um 7.30 Uhr zur „Vereinbarung des Selbstgestellungstermins zur kindgerechten Abschiebung“ einzufinden, heißt es in dem Schreiben der Ausländerbehörde weiter.

Kindgerechtes kann Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat Berlin an dieser Praxis allerdings nicht entdecken. Ein „Unding“ sei das, sagt der Experte für Asyl- und Flüchtlingsrecht. Und ein grober Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention: „Kinder können allein nicht abgeschoben werden.“ Schon gar nicht gegen den Willen des Vormunds.

Der ist vom Vorgehen der Behörde schockiert: Der zuständige Mitarbeiter der Ausländerbehörde habe ihm mitgeteilt, dass seine Enkelkinder erst dann einen sicheren Aufenthaltsstatus bekämen, wenn er als Vormund ein Einkommen von 3.000 Euro und außerdem 20 Quadratmeter Wohnfläche für jedes Kind nachweisen könne. Für Milos S., der als Gastarbeiter nach Berlin kam und über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis verfügt, sind das unerfüllbare Bedingungen: Der 60-Jährige ist Rentner.

Überdies habe der Beamte, so S. zur taz, ihm vorgeschlagen, er könne doch mit den Kindern nach Bosnien gehen, wenn er verhindern wolle, dass sie dort in ein Heim kämen. „Ich würde alles für meine Enkel tun, aber das nicht.“ Denn die Kinder gehörten hierher: „Sie sind gute Deutsche!“ ALKE WIERTH

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