: Die „Weiße Armee“ will die Nuer rächen
SÜDSUDAN Der Bürgerkrieg weitet sich auf weitere Landesteile aus. Rebellen übernehmen Kontrolle über die Hauptstadt der Ölförderregion. Die Konzerne beginnen mit der Evakuierung ihrer Mitarbeiter. Uganda greift auf Seiten der Regierung ein
VON DOMINIC JOHNSON
Sie nennen sich „Weiße Armee“, und ihr Name erzeugt Schrecken bei vielen Südsudanesen: Milizionäre des Nuer-Volkes, die unter dieser Bezeichnung schon vor zwanzig Jahren gegen die rivalisierende Ethnie der Dinka in Südsudans Befreiungsarmee SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) kämpften. Heute sind sie wieder in Aktion – gegen die aus der SPLA hervorgegangene Regierung des unabhängigen Südsudan.
Die vor einer Woche ausgebrochene Rebellion von bewaffneten Anhängern des ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar, selbst Nuer, gegen die Regierung von Südsudans Präsident Salva Kiir, ein Dinka, hat am Wochenende weitere Landstriche erreicht. Machar, dessen Aufenthaltsort nicht bekannt ist, reklamierte in einem BBC-Interview die Kontrolle über die Meuterer und behauptete, er kontrolliere nun den Großteil des südsudanesischen Staatsgebiets. Und jetzt mehren sich Berichte, wonach sich Nuer-Kämpfer unter ihrem alten Kampfnamen sammeln, um sich für die Massaker an Nuer-Zivilisten durch Dinka-Soldaten der SPLA in der Hauptstadt Juba Anfang vergangener Woche zu rächen und um gegen die SPLA zu kämpfen.
Noch schneller als die bewaffnete Rebellion breitet sich jetzt in ganz Südsudan die Angst aus. Zivilisten der jeweils nicht im Militär vorherrschenden Ethnien suchen Schutz in UN-Basen. 42.000 waren es bis Sonntag im ganzen Land, teilte die UN-Mission im Südsudan (Unmiss) mit: darunter 20.000 Nuer in Juba und 15.000 Dinka in Bor.
In Bor, Hauptstadt der Provinz Jonglei im Osten Südsudans, sowie in Bentiu, Hauptstadt der Provinz Unity im Norden, hatten sich die lokalen Militärkommandanten in der vergangenen Woche auf Seiten der Rebellen geschlagen. Jonglei ist eine Hochburg bewaffneter SPLA-Gegner; Unity ist das Zentrum der Ölförderung Südsudans, von der das Land wirtschaftlich abhängt.
Bor, das am Nil nördlich von Südsudans Hauptstadt Juba liegt, fiel aber am Samstag wieder an die Regierungstruppen zurück. Der abtrünnige Militärkommandant von Bor, Peter Gadet, floh aus der Stadt. Am Sonntag wurde berichtet, Nuer-Kämpfer sammelten sich zur Gegenoffensive.
Bei der Rückeroberung Bors wurde Südsudans Regierungsarmee von Uganda unterstützt, unter anderem mit Kampfjets. Uganda hatte am Freitag die Entsendung von 150 Spezialeinheiten nach Südsudan bestätigt; einige ugandische Medien sagen, es seien sehr viel mehr.
Die Meuterer in Bor schossen am Freitag einen UN-Hubschrauber ab und beschossen am Samstag zwei US-Militärflugzeuge, die aus Bor US-Amerikaner evakuieren sollten. Lokalen Berichten zufolge hielten sie die US-Maschinen für Flugzeuge der ugandischen Luftwaffe. Vier US-Amerikaner wurden verwundet und nach Kenia ausgeflogen. Nach Uganda kündigte am Samstag auch Kenia die Entsendung von Truppen an, um geschätzte 1.600 Kenianer aus Südsudan zu evakuieren.
In Bentiu in der Provinz Unity hatten am Sonntag noch die Meuterer die Oberhand. Hier hatte sich am Samstag der lokale Militärkommandant, General James Koang, von der Regierung losgesagt und sich zum Provinzgouverneur ernannt. Zugleich war es zu Kämpfen in einigen Ölförderstandorten gekommen. Ölkonzerne begannen mit der Evakuierung ihrer Mitarbeiter.
Hunderte Chinesen und Pakistaner aus der Ölindustrie warteten am Sonntag in Juba auf Flüge in die Heimat. Alle Ölfelder seien geschlossen, berichteten evakuierte Ölarbeiter bereits am Samstag. Noch aber gehe der Ölabfluss durch die Exportpipeline nach Sudan weiter, erklärte am Sonntag Südsudans Botschafter im Sudan, Mayen Dut Wol.