„Antinational auch auf dem Fußballplatz“

Das schwarz-rot-goldene Fähnchenmeer provoziert. Zwei Stunden vor dem letzten Vorrundenspiel der deutschen Nationalelf rufen antinationale Gruppen in Bremen zur Kundgebung dagegen. Und sind, im Zweifelsfall, für Ecuador

taz: Haben Sie schon mal Schwarz-Rot-Gold getragen?

Josef Mohrens (Name geändert), Mitorganisator der Demonstration „gegen den Nationalismus der FIFA-WM“: Nein. Staat und Nation sind keine emanzipatorischen Gebilde, auf die ich mich als Individuum beziehe.

Das Fahnenmeer ist aber riesig. Stört Sie das?

Natürlich. Dieser Elan, Deutschland wieder mit Verve darzustellen, es ganz normal einzureihen ins internationale Geschäft. Deutsche Geschichte wird europäisiert, Auschwitz ist kein genuin deutsches Verbrechen mehr, sondern eine „europäische Katastrophe“. Und so fort.

Das unterstellt, dass alle, die Auto und Balkon mit Schwarz-Rot-Gold dekorieren, …

… ausgemachte Nazis wären? Nee, es geht mir nicht darum, jeden Fahnenschwenker als Nazi zu denunzieren. Das wäre sehr verkürzt. Aber es geht schon immer wieder um eine kollektive Größe, die das vereinzelte Individuum wieder auffängt. Das Individuum wird runtergebrochen auf seine Zugehörigkeit zum Staat, für die es sich vereinnahmen und ausbeuten lassen muss. Gerade wenn’s darum geht, dass der Gürtel jetzt wieder enger geschnallt werden muss.

Man könnte auch argumentieren: Schwarz-Rot-Gold stand einmal für Demokratie und einen Staat, der Freiheitsrechte schützt. Wäre das nicht eine Chance, ebendiese Grundwerte hochzuhalten?

Dann würde man ja wieder von Deutschland aus denken. Mir geht es ja nicht darum, jetzt einen Nationalismus von links zu propagieren, der den Rechten ihren Anspruch auf diese Fahne streitig macht.

Heute spielt Deutschland gegen Ecuador. Wem drücken Sie die Daumen?

Ich bin kein Fußballbegeisterter, hab’ noch kein Spiel geschaut. Aber ich würde den Ecuadorianern die Daumen drücken.

Warum?

Man kann ja auch antinational auf dem Fußballplatz sein.

Die Ecuadorianer sind nicht national?

Natürlich sind sie das. Aber ich, der in Deutschland lebe, setze mich natürlich primär mit deutscher Geschichte auseinander.

Der Demo-Aufruf wünscht Deutschland eine „vernichtende Niederlage“. Was kommt danach?

Was nach Deutschland kommt? Das würde sich zeigen.Interview: sim

Demo: 14 Uhr, Ziegenmarkt, Bremen