: Betonung der Gegensätze
KULTURPOLITIK Faible für preußische Malerinnen – die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters
VON KATRIN BETTINA MÜLLER
Es braucht schon eine besondere Liebe zur Kunstgeschichte im Allgemeinen und zu marginalisierten Künstlerinnen im Besondern, um die Malerin Anna Dorothea Therbusch (1721–1782) zu kennen. Sie war eine feinfühlige Porträtistin, malte im Auftrag von Friedrich dem Großen und Katharina II., wurde als erste Ausländerin Mitglied in der Akademie der Künste in Paris und war in Preußen die erste Frau, die Anerkennung als Künstlerin erlangte. Nicht zuletzt war Therbusch erfolgreich im Aushandeln der Preise für ihre Bilder.
Monika Grütters suchte sich diese malende Preußin aus, als sie Anfang des Jahres von der FAZ eingeladen war, einen „alten Meister“ aus der zweiten Reihe der Berliner Gemäldegalerie vorzustellen. Das kennzeichnet ganz gut den bildungsbürgerlichen Impetus der Frau, die im neuen Kabinett von Angela Merkel die Staatsministerin für Kultur ist. Und auch ihr stetes Augenmerk für die Wahrnehmung beziehungsweise Zurücksetzung von Frauen. „Manchmal reicht es für eine Frau also nicht, nur so gut sein zu wollen wie ein Mann. Eine gehörige Portion zusätzlicher Ehrgeiz hat Anna Dorothea Therbusch so weit gebracht, dass sie unvergesslich wurde“, schrieb Grütters zu der Malerin.
Weil solch eine Portion Ehrgeiz aber nicht jeder Frau zur Verfügung steht, gehört Monika Grütters in der CDU zu denen, die eine Frauenquote von 30 Prozent für das Gremium der Aufsichtsräte fordern, wenigstens ab 2020. Denn sie glaubt nicht daran, dass in den Führungsetagen der Wirtschaft der Frauenanteil sonst freiwillig erhöht wird. Und das beruht auch auf ihren eigenen Erfahrungen als Politikerin in der CDU.
Kunst und Banken
Sie selbst brauchte für den Anfang ihrer Karriere in den neunziger Jahren in Berlin einen Förderer, den damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky. Dessen Verwicklung in den Immobilienskandal der Bankgesellschaft Berlin, bei der Grütters auch selbst als Kulturmanagerin arbeitete und für die sie aufregende, zeitgenössische Kunst erwarb, überstand sie unbeschadet. Das lag schon damals daran, dass sie sich als wissenschaftliche und kulturpolitische Sprecherin der CDU durch Kompetenz und Sachlichkeit Ansehen verschafft hatte.
Gemessen an der Kunstszene, durch die sie sich so souverän bewegt, ist das Erscheinungsbild von Monika Grütters – oft mit Perlenkette, fast immer im Rock – beinahe auffallend konservativ, so dass man einen Moment darüber stutzt. Es hat etwas von Betonung der Gegensätze – das konservative Element demonstriert seine Aufgeschlossenheit. Doch wo andere CDU-Politikerinnen auch mit Privatleben und Familie am Bild ihres Wertekosmos arbeiten, findet man bei Grütters stets nur die Leidenschaft für den Gegenstand Kultur.
Das spielt sicher eine Rolle bei der Zustimmung, die ihre Ernennung zur Kulturstaatsministerin im Kanzleramt erfahren hat. Es sind nicht nur Institutionen mit Sitz in Berlin wie die Akademie der Künste oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die sich erfreut zeigen, weil sie wissen, wie oft sich Grütters für Kultur in der Hauptstadt bisher schon in unterschiedlichsten Funktionen starkgemacht hat. Es ist auch der Deutsche Bühnenverein, der von ihr und dem Bund Unterstützung beim Erhalt der vielen Theater in den deutschen Städten erhofft, die von Ländern und Kommunen in ihrer Finanzierung oft immer weiter eingeengt werden. Oder der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem es um den Erhalt der Buchpreisbindung geht.
Die könnte zum Beispiel Gegenstand des Freihandelsabkommen von Europa mit den USA sein. Grütters gehört zu den Kulturpolitikern, die bisher dafür eintraten, die Kultur aus diesem Abkommen herauszunehmen, weil nur so der Schutz der Vielfalt der kulturellen Landschaft zu gewährleisten ist. Wenn Grütters leicht enthusiastisch über die Theaterdichte Deutschlands redet, die höchste der Welt, oder die Museen, die „zehnmal mehr Besucher als alle Bundesligaspiele“ anziehen, dann kommt sie von dort auch ganz schnell zur deutschen Geschichte. Die hat diese Vielfalt nicht nur hervorgebracht, sondern der Gesellschaft in ihren Augen eben auch eine besondere Verpflichtung zum Erhalt auferlegt: „Unsere Kulturförderung hat auch mit unserer bitteren jüngeren Geschichte zu tun. Sie zieht eine Lehre aus zwei Diktaturen, die lautet: Kritik und Meinungsfreiheit sind konstitutiv für eine Demokratie.“
Aber es gibt auch eine Kehrseite dieser engen Verbindung von Geschichtsbewusstsein und Schutz der Kultur. Die zeigt sich, wenn aus Bewahren und Gedenken repräsentative Gesten werden, die Deutungshoheit über die Geschichtsschreibung beanspruchen. Eine solche Geste ist zum Beispiel das Stadtschloss in Berlins Mitte, das nach einem Entwurf des Architekten Franco Stella an die Stelle des in der DDR abgerissenen barocken Schlosses errichtet werden soll. Grütters gehört zu den langjährigen Befürwortern des Projekts und hat das „Humboldtforum“, das die Räume bespielen und inhaltlich füllen soll, unter die dringlichsten Aufgaben für ihr neues Amt gesetzt. Seit fast zwei Jahrzehnten ist das Schloss eine ideologisch umkämpfte Baustelle, viele Schlossgegner sahen gerade im Offenhalten dieses Platzes eine Chance, die Brüche der Geschichte auszuhalten, statt sie symbolisch zu besetzen.
Die Liste der sechs dringlichsten Aufgaben, die in Grütters erster Pressemitteilung als Beauftragte für Kultur und Medien stehen, lehnt sich eng an die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag an. Dazu gehört die dauerhafte Stabilisierung der Künstlersozialkasse, einer Kranken- und Rentenversicherung für Künstler und Publizisten. Deren Einnahmen krankten bisher auch daran, dass es keine Kontrolle darüber gab, wie viel die Verwerter der künstlerischen und publizistischen Produkte einzuzahlen hatten. Der Gesetzgeber müsste die Versicherer verpflichten, diese Kontrolle durchzuführen.
Sich für solche Veränderungen einzusetzen, hat zweifelsohne nicht den gleichen Charme wie eine Ausstellung der Fotografin Barbara Klemm zu eröffnen. Aber Grütters hat eben nicht nur auf beiden Bühnen langjährige Erfahrung und Kontakte, sondern sieht auch den inhaltlichen und strukturellen Zusammenhang. Im Ausschuss für Kultur und Medien im Bundestag, dem sie in der letzten Legislaturperiode vorsaß, erreichte sie mit Unterstützung der SPD, dass die Fotokunst auch für das Finanzamt als Kunst gilt und ihr Umsatz deshalb nicht mit 19, sondern 7 Prozent besteuert wird. Auch das gehört zu den besonderen Instrumenten der deutschen Künstlerförderung.
Auf dem Arbeitsplan der Kulturstaatsministerin stehen auch die Reform des Urheberrechts und die Digitalisierung des kulturellen Erbes, beides arbeitsintensive und nicht zuletzt juristisch knifflige Vorhaben, die unter Grütters’ Vorgänger Bernd Neumann eine offene Baustelle blieben. Dass seine Bilanz am Ende positiv aussah, auch dank einer kontinuierlichen Erhöhung des Bundesetats für Kultur, war anderen Schwerpunkten zu verdanken. Dass Grütters auf diesen Gebieten neue Stärken entwickeln kann, ist die Hoffnung vieler Institutionen. Es wird nicht zuletzt davon abhängen, welche Bündnisse ihr gelingen.