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Archiv-Artikel

Fleiß, Gottesfurcht und Schnuller-Englisch

Das neue NRW-Schulgesetz wird heute im Landtag verabschiedet. Die taz erklärt die wichtigsten Änderungen

Einführung von Kopfnoten

Nach dem Beispiel von Baden-Württemberg werden in NRW ab dem neuen Schuljahr Verhalten und Mitarbeit benotet. Pädagogen bezweifeln, dass dies zu mehr Disziplin führt.

Freie Grundschulwahl

Die Aufhebung der Schulbezirke ist wohl eine der umstrittensten Änderungen. Die freie Wahl der Grundschule soll zu mehr Wettbewerb untereinander führen, so die Befürworter. Die sind vor allem bei der FDP zu finden. Noch mehr als heute wird dies dazu führen, dass deutsche Eltern ihre Kinder von Schulen mit hohem Migrantenanteil abmelden, lautet die Kritik von LehrervertreterInnen. Auch Integrationsminister Armin Laschet und andere CDU-Politiker äußerten Bedenken, dass diese Regelung zu mehr Ghetto-Schülen führe. Kein Wunder: Die Union war mit der Forderung nach einer Begrenzung der Migrantenquote auf 25 Prozent an Grundschulen in den Wahlkampf gegangen – ließ sich aber vom kleinen Koalitionspartner in eine völlig gegenteilige Richtung bugsieren.

Weniger Macht für Schüler

Nur kurz haben die SchülerInnen ihre Macht in der Schulkonferenz auskosten können. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte ihnen, so wie auch den Lehrern und den Eltern, ein Drittel der Stimmen eingeräumt. Diese Drittelparität kassierte die CDU-Schulministerin Barbara Sommer wieder ein. „Das bringt nichts“, lautete ihre Bilanz – nach nicht einmal einem Jahr Praxis.

Elternvotum wird geschwächt

Die Empfehlung der Grundschullehrer für die weiterführende Schule bekommt mehr Gewicht. Wenn die Einschätzung von Eltern und Lehrern zu stark voneinander abweicht, sollen die Kinder an einem „Prognose-Unterricht“ teilnehmen – das Urteil der LehrerInnen gibt dann den Ausschlag. Der Haken: Nur wenn Eltern ihr Kind trotz gegenteiliger Empfehlung zu höherem bestimmt sehen, ist der Prognoseunterricht verpflichtend. Wenn aber Eltern von klugen Kindern der Grundschulempfehlung nicht folgen wollen, weil sie das Abitur als überflüssig ansehen, müssen die Kinder nicht teilnehmen. Das benachteiligt Kinder aus bildungsfernen Schichten. Auch gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Lehrer angemessener entscheiden als Eltern.

Autonome Schulleiterwahl

Ursprünglich sollten allein die Schulkonferenzen die Wahl ihrer Schulleiter bestimmen. Nach Protesten von Kommunen und Kreisen dürfen diese nun bei der Vorauswahl mitreden und einen Vertreter in die Schulkonferenz entsenden.

Das Turboabitur kommt

Das Abitur nach zwölf Jahren wurde bereits unter Rot-Grün beschlossen. Ab dem kommenden Schuljahr tritt es in Kraft. Dazu kommt die Einführung des Zentralabiturs und die Aufhebung des Systems von Grund- und Leistungskursen. Kritik am Turboabitur kommt unter anderem von den Gesamtschulen: Dort soll es nicht möglich sein, in zwölf Jahren zum Abitur zu gelangen.

Englisch mit fünf Jahren

Die Einschulung wird ein Jahr vorgezogen, der Englischunterricht beginnt schon im zweiten Halbjahr der ersten Klasse. Das „Schnuller-Englisch“, das die I-Dötzchen lernen werden, ist unter Sprachwissenschaftlern umstritten.

Uniformen explizit erlaubt

Auch vorher hatte eine Schule die Möglichkeit, sich für Schuluniformen zu entscheiden. Wohl wegen des immer stärker werdenden Markenfetischs auf Schulhöfen ist diese Option nun auch ins Gesetz aufgenommen worden. Schülervertreter haben aber ein Vetorecht.

Mehr Ehrfurcht vor Gott

Bisher musste die Schule auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Landesverfassung unterrichten und erziehen. Jetzt ist unter anderem die Ehrfurcht vor Gott das „vornehmstes Ziel der Erziehung“. Auch die Liebe zu Volk und Heimat soll im Unterricht gestärkt werden.

NATALIE WIESMANN