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Nordseeinsel im Solarfieber

Die Landwirte erwirtschaften durch die solare Nutzung ihrer Dachflächen zusätzliches Einkommen und erzeugen en passant saubere Energie. So zum Beispiel auf der Nordseeinsel Pellworm, wo viele in die Sonnenernte eingestiegen sind

VON DIERK JENSEN

„Das läuft.“ Der Landwirt Hauke Jensen zeigt sich mit seiner Photovoltaikanlage zufrieden. Kein Wunder, stellt doch die Sonnenernte seines 25 Kilowatt leistenden Kraftwerks auf dem Dach des Wohntraktes nach den ersten zwölf Betriebsmonaten die optimistischsten Prognosen in den Schatten. „Jedes installierte Kilowatt erreichte im vergangenen Jahr knapp 1.100 Kilowattstunden“, resümiert der 44-Jährige zusammen mit seiner Frau Sinje im vom Westwind zerzausten Garten ihres Hofes auf der Nordseeinsel Pellworm im nordfriesischen Wattenmeer.

Jensens Anlage ist eine von mittlerweile über 50 auf der nordfriesischen Insel südlich von Sylt. Angesichts der guten Ergebnisse haben sich mittlerweile schon mehr als zwei Dutzend Insellandwirte für die Nutzung der Photovoltaik entschieden. Darüber hinaus ist eine ganze Reihe von Privatleuten im Solargeschäft engagiert. Entweder betreiben sie die Anlagen solo, oder sie haben sich zu kleinen Betreibergesellschaften zusammengeschlossen. Zusammengezählt kommen die Insulaner auf eine installierte Leistung von über einem Megawatt. Das ist, bezogen auf die 1.000 Einwohner, wahrlich weltmeisterlich. Und wer über die 37 Quadratkilometer große Ferieninsel fährt, die zum Schutz vor Sturmfluten mit einem grünen Seedeich umgeben ist, kann in der weiten Marschlandschaft die zahlreichen Photovoltaikmodule auf Ställen, Scheunen und Wohnhäusern bestaunen.

Sonne bringt Umsatz

Die Landwirte haben sich mit ihren Solaranlagen einen neuen Betriebszweig erschließen können. Und dies ohne großen Aufwand, da die meisten aufgrund ihrer Milchvieh- und Schweinehaltung über große Scheunen- und Stalldächer verfügen, die sich – vorausgesetzt, sie liegen in Sonnenrichtung – für die Installation hervorragend eignen. Zwar kompensieren die Einnahmen nicht die derzeit lausigen Agrarpreise, doch bringt die Solarstromernte jedem Hof ein zusätzliches Salär. Wenngleich einige Landwirte schon seit langem den Gedanken hegten, Photovoltaik zu installieren, hat doch erst die Anhebung der Vergütungssätze im Rahmen der Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2004 bewirkt, dass die nüchtern rechnenden Nordfriesen nun tatsächlich investieren. Sich dafür zu entscheiden fiel noch leichter, als das Bundesland Schleswig-Holstein ebenfalls 2004 für den Bau einer Solarstromanlage einen Investitionszuschuss von 20 Prozent gewährte.

Hauke und Sinje Jensen nutzten die Gunst der Stunde und errichteten in jenem Jahr ihre Anlage auf dem Dach ihres Wohnhauses. Sie haben ihr Projekt gänzlich von der Hausbank finanzieren lassen. „So halten wir uns für die Weiterentwicklung des Betriebs alle Optionen frei“, erklärt Jensen und verweist auf die steuerlichen Vorteile. Ähnlich verhält es sich beim Biobauern Jörg Backsen. Im Frühsommer 2005 hat er eine 44-Kilowatt-Anlage auf seinen Rinderlaufstall montieren lassen. Obwohl er nicht mehr in den Genuss des 20-prozentigen Landeszuschusses und des höchsten Vergütungssatzes im ersten Jahr nach der EEG-Novelle kam, bleibt für ihn der Einstieg ins Solargeschäft trotzdem noch lukrativ. Auch das Objekt des blonden Nordfriesen ist ein komplett fremdfinanziertes, sodass er sein Engagement für Biolandwirtschaft und Vermietung von Ferienwohnungen nicht einschränken muss. Pellworm konnte, lange bevor das Solarfieber ausbrach, eine reiche Vorgeschichte in Sachen regenerativer Energien vorweisen. Schon Anfang der 80er-Jahre war die Nordseeinsel Schauplatz eines Windtestfeldes, auf dem mit Bundesmitteln des damaligen Bonner Forschungsministeriums die erste Generation von Kleinanlagen getestet wurde. Später kam ein Solarfeld hinzu, das zwischenzeitlich zu den größten Freiflächenanlagen in Deutschland zählte. Es war ein von der EU gefördertes Pionierprojekt, mit dem sich der norddeutsche Energieversorger Schleswag, heute Teil der Eon Hanse, an einem der „sonnenreichsten Standorte Europas“ als Förderer erneuerbarer Energien darstellte. Tausende Besucher wurden in den letzten Jahren durch die 600 Kilowatt große Anlage gescheucht, während sich im privatwirtschaftlichen bzw. landwirtschaftlichen Bereich bis Ende 2003 noch nichts bewegte. Und dies, obwohl zu Beginn der 90er-Jahre auf der Insel der Verein „Ökologisch Wirtschaften“ gegründet wurde und aus diesem Zusammenschluss heraus die Idee einer energieautarken Insel entstand.

Wirtschaftsfaktor Energie

Allerdings war schon bei der Erstellung des Pellwormer Windparks Mitte der 90er-Jahre die Idee der Energieunabhängigkeit konterkariert, da er mit einer installierten Leistung von 4,8 Megawatt schon bei mittleren Winden über dem Insel-Eigenbedarf von rund einem Megawatt liegt. Und angesichts der höheren Wirtschaftlichkeit der Windkraft an einem der windreichsten Standorte Deutschlands rückte die Solarenergie bis eben vor zwei Jahren in weite Ferne. Überdies war die übrige Aufmerksamkeit auf eine kontroverse Diskussion um eine Gemeinschaftsbiogasanlage gerichtet, die jetzt nicht ohne Widerspruch in Betrieb ging. Die Biogasanlage wird, mit einer Leistung von 530 Kilowatt und beschickt mit Gülle, Mais und Getreide, in Zukunft die Grundlast im regenerativen Strommix der Insel tragen.

Das Netz sei jetzt voll, merkt Werner Wulf an. Als Mitarbeiter der Eon ist er für das Pellwormer Stromnetz zuständig. Nach seinen Angaben kann das Inselnetz maximal 7 Megawatt aufnehmen, doch sind mit den Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie der Biogasanlage in Zukunft Anlagen mit über 8 Megawatt Leistung am Netz. Dieser Umstand zeigt zweierlei: Zum einen hat sich die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien für die Insel zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Zum anderen hat der Netzbetreiber es versäumt, sich rechtzeitig um den Ausbau der Netze zu kümmern. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen bei Eon Hanse von der gegenwärtigen Euphorie unter den Solarbauern einfach ein bisschen mehr inspirieren lassen.

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