Viele Verdächtige im Spiel

JUSTIZ Nächste Woche fällt im „Pokerprozess“ das Urteil. Nebulös bleibt die Rolle der Hintermänner

Im Prozess gegen die vier „Pokerräuber“ gerieten am Donnerstag die Hintermänner der Tat ins Licht – zumindest ein bisschen. Im März hatten die angeklagten 19- bis 21-Jährigen ein Pokerturnier am Potsdamer Platz überfallen und 242.000 Euro erbeutet. Nun stehen sie wegen schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht.

Als Drahtzieher gelten der Fluchtwagenfahrer Ibrahim El-M. (29) und Mohammed A.-C. (31). Letzterer soll am Turnier teilgenommen und per Handy das Startsignal gegeben haben. Beide sitzen inzwischen in Haft. Ein Ermittler sagte am Donnerstag vor Gericht, El-M. habe zur Tatzeit ein „konspiratives“ Zweithandy benutzt, mit dem er auch mit A.-C. telefonierte. Zudem gehöre eine Tiefgarage in Friedenau, in der die Täter nach dem Raub die Beute aufteilten, El-M.s Mutter.

Offen bleibt, ob es weitere Hintermänner gibt. Ein Ermittler sagte, man sei auch Hinweisen gegen einen Wachmann der Sicherheitsfirma des Turniers nachgegangen. Dieser hatte kurz vor der Tat mit A.-C. telefoniert. Der Chef der Firma, Michael Kuhr, sagte, es sei dabei nur um eine Tischreservierung gegangen. Eine Tatbeteiligung von Mitarbeitern wies er strikt zurück.

Kuhr selbst sollte am Tattag die Tagesgelder des Turniers im Hyatt-Hotel zum nahe gelegenen Spielcasino bringen. Er wäre als einziger Security-Mann bewaffnet gewesen. Doch geriet er nur Minuten vor dem Überfall in einen Autounfall in Steglitz. Laut Polizei steht der Fahrer des zweiten Unfallwagens in keiner Verbindung zu dem Raub. Ein Wachmann hatte den Zeitpunkt des Überfalls als „absolut perfekten Moment“ bezeichnet. Der Tresor habe offengestanden, niemand sei bewaffnet gewesen.

Verdächtige Notizen

Auch auf einen weiteren zwischenzeitlich Verdächtigen kam die Sprache: Mohammed B. Bei ihm fand die Polizei einen Zettel mit sechs Namen – darunter drei der Angeklagten und eines Mitglieds der A.-C.-Familie. Die Polizei hatte B. kurz nach der Tat festgenommen, dann aber laufen lassen und die Ermittlungen eingestellt. B. wiederum ist eng mit Michael Kuhr befreundet. Der sagt, B. habe den Zettel damals geschrieben, da beide ebenfalls nach den Tätern gesucht hätten.

All dies wird im zweiten „Pokerprozess“ eine Rolle spielen, der im August gegen A.-C. und El-M. beginnen soll. Im aktuellen Verfahren wird nach anderthalb Wochen Verhandlung schon am kommenden Donnerstag das Urteil verkündet. Alle vier Jungräuber sind geständig, verschwunden bleibt allerdings die Beute. Jugendgerichtshelfer plädierten für eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht – aufgrund von „Reifeverzögerungen“ der Angeklagten. KONRAD LITSCHKO