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Archiv-Artikel

portrait Der liebe Gott von Köln

Von STG

Die ersten Projekte des Beinaheruheständlers standen längst fest: Filme wollte Fritz Pleitgen nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des WDR-Intendanten im Juli 2007 machen. Wieder mehr journalistisch arbeiten und Bücher schreiben. Den Verlockungen des obersten Amtes bei der größten ARD-Anstalt, der damit verbundenen Macht, könne er locker entsagen. Das zumindest war der Eindruck, den der heute 68-Jährige schaffen wollte.

Wirklich geglaubt hatten ihm dies die wenigsten. Und jetzt sieht alles danach aus, als werde heute im WDR-Rundfunkrat eine Mehrheit unter Führung der CDU exakt einen Kandidaten für die voraussichtlich im August anstehende Intendanten-Wahl nominieren: Fritz Pleitgen. Dahinter scheint auch die Einsicht zu stehen, dass es ohne ihn nicht geht: Pleitgen ist bekannter als alle anderen öffentlich-rechtlichen IntendantInnen. Seit seiner Zeit als ARD-Korrespondent in Moskau und Ostberlin, spätestens seit seiner kritischen Berichterstattung aus Washington über die USA unter Ronald Reagan kennt fast jedeR das markant bebrillte Gesicht. „Als Reporter des Kalten Krieges wurde Pleitgen zum Fernseh-Denkmal“, schrieb die Zeit einmal über den Duisburger, dessen erste Zeilen eine Sportredaktion in der Provinz druckte.

Pleitgen war immer dicht dran: Als WDR-Chefredakteur (ab 1988) moderierte er Livediskussionen von den von streikenden Bergleuten und Stahlkochern blockierten Autobahnen. Er war dabei nie ein Linker, sondern ein Unabhängiger, der 1995 nach einem Zwischenspiel als Hörfunkdirektor an die Spitze des WDR gewählt wurde. Wo er seitdem blieb. Genau dieses lange Bleiben, so seine Kritiker, sei heute das Problem: Die Kinder – Pleitgen hat vier – sind aus dem Haus, und das mit dem anstehenden Verlust von Macht, Prominenz und Einfluss hätte dem nicht eben uneitlen Intendanten zu denken gegeben. Die Art, wie Pleitgen den WDR führe, sei bestenfalls aufgeklärter Absolutismus, heißt es im Kölner Vierscheibenhaus. Der Intendant sei beratungsresistent, stelle sich kaum der Diskussion – und höre auf die paar Fragen, die er dann doch stelle, von einer willfährigen Entourage immer nur eine Antwort: „Ja, lieber Gott.“

Pleitgen entwickelte zuletzt eine fast unnahbare Souveränität. Zur anstehenden Verteidigung des gebührenfinanzierten Rundfunks gegen die Nörgler in Brüssel und anderswo mag das so hilfreich sein wie zur Durchsetzung der Interessen der öffentlich-rechtlichen Programme beim Übergang ins digitale Zeitalter. Nach innen, in den bis auf wenige Ausnahmen ziemlich verkrustet und blutleer wirkenden WDR, sieht das anders aus. STG

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