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Archiv-Artikel

Eine neue, pragmatische Leichtigkeit

Der US-Präsident nimmt aus Wien die Botschaft mit, dass sich die EU nicht länger über den Irakkrieg beklagt

Die Einschätzung setzt sich durch, dass das Anprangern der USA keinen Erfolg verspricht

BERLIN taz ■ Guantánamo, CIA-Flüge, Irak-Desaster – die Themen, die nach manchen Vorausberichten „bleischwer“ über dem EU-USA-Gipfel hängen sollten, weichen einer neuen, pragmatischen Leichtigkeit. Es ist sicher nicht zuletzt der Ratspräsidentschaft des konservativen österreichischen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (Bush: „I call him Wolfgang“) zuzuschreiben, dass der US-Präsident aus Wien die Botschaft mitnehmen darf, dass Europa aufgehört hat, sich über die US-Vorgehensweise im „Krieg gegen den Terror“ wirklich zu empören. Zurück zur transatlantischen Tagesordnung – das war die Botschaft, die Schüssel, Bush und EU-Kommissionspräsident Barroso auf ihrer Pressekonferenz im Anschluss an das Gipfeltreffen verbreiteten.

Es war bezeichnend, dass Schüssel und Barroso es Bush überließen, auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen Europa und den USA etwa in Sachen Guantánamo einzugehen – wäre es ihnen wirklich ernst damit, hätten sie selbst wenigstens in der Öffentlichkeit von sich aus zuerst auf die Schließung Guantánamos gedrängt. Die transatlantische Agenda der europäischen Regierungen sieht Harmonie vor, keinen Streit. Wie kaum ein europäischer Politiker zuvor rechtfertigte Schüssel die Herangehensweise der USA, verwies, ganz wie Bush, auf den 11. September 2001 und forderte Europa auf, nicht naiv zu sein. Und es gibt wenig Anlass zu der Vermutung, dass den anderen europäischen Staatschefs bei diesen Bemerkungen der Mund offen stehen bleibt.

Offenbar hat sich die Einschätzung durchgesetzt, dass das schrödereske Anprangern des großen Verbündeten keine erfolgversprechende Strategie ist. Damit lassen sie zwar die öffentliche Meinung, die Parlamente, die Menschenrechtsorganisationen und die entsprechenden europäischen Sonderberichterstatter im Regen stehen, sichern sich aber Mitspracherechte bei den anstehenden Themen.

Im Übrigen werden in Zukunft tatsächlich wieder die traditionellen Konfliktthemen im Vordergrund stehen: Welthandel, Energie, Subventionen. Die Epoche, da sich Europas Regierungen wegen Menschenrechtsfragen von den USA distanzierten, scheint vorerst beendet. BERND PICKERT