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Archiv-Artikel

Das K-Phänomen

Heute verleiht die Universität Osnabrück dem Heidelberger Steuerexperten Paul Kirchhof die Ehrendoktorwürde. „Eine ganz besondere Auszeichnung“, findet der Mann, der einst Minister werden wollte, aber froh ist, dass es anders kam

Titel trägt er viele. Den des Spargelkönigs des Oldenburger Münsterlandes beispielsweise. Er, der beinahe Finanzminister geworden wäre. Er, der einst Verfassungsrichter war. Aber allen gilt er nur noch als „der Professor aus Heidelberg“. Ein „Ehrentitel“ sei das, sagt Paul Kirchhof. Gerhard Schröder hat das nie so gemeint. Zu deutlich war sein despektierlicher Unterton.

Heute wird Paul Kirchhof ein weiterer Ehrentitel zuteil. Die des Ehrendoktors der Universität Osnabrück. Und es wird sein erster sein. „Eine ganz besondere Auszeichnung“, wie Kirchhof versichert. Keine Kompensation für all die Schmach, die er im Bundestagswahlkampf erlitt. Für all den Spott. Für Spiegel-Texte, die von der „verlorenen Ehre des Professor K.“ schrieben. „Auf keinen Fall“, sagt Kirchhof. Lieber will er heute „ein bisschen an dem Glanz“ der jungen Fakultät in Osnabrück teilhaben.

In seiner Geburtsstadt ehren sie ihn als das, was er eigentlich ist. „Ein führender Professor für Verfassungs- und Steuerrecht“, wie es in der Laudatio heißt. Und dann wird von einem „ungewöhnlich breiten Oeuvre“ die Rede sein, von einem Schriftenverzeichnis, das 240 Titel aufweist. Davon, dass Kirchhof „stets eine breite Leserschaft zu interessieren weiß.“

Und Kirchhof wird über das reden, was ihn am meisten beschäftigt, über „Die Gerechtigkeit im Steuerrecht“. Die hört für ihn da auf, wo der Grundsatz des Alten Fritz verletzt wird. Dass nämlich ein guter Hirte seine Schafe schert, ihnen aber das Fell nicht abzieht. „Halbteilungsgrundsatz“ nennen das die Juristen. Der Staat aber, sagt Kirchhof, verletzt diesen Grundsatz, wenn er den Seinen mehr als die Hälfte dessen nimmt, was sie verdienen. Wenn er verhindert, dass sie sich gegen Erhöhungen der Mehrwertsteuer zur Wehr setzen können. Es gebe da ein „rechtliches Defizit“, doziert er, gerade bei den indirekten Steuern, wo die „unmittelbare Begegnung“ mit dem Staat fehle. Das Verfassungsgericht, findet er, könnte da für mehr Gerechtigkeit sorgen, einmal mehr.

In geschliffenen Worten wird Paul Kirchhof, der brilliante Rhetoriker, das heute vortragen. Und wieder wird er das „kleine Mikrofon“ sein – so wie damals, als Gerhard Schröder immer „das große Mikrofon“ war. Und nicht undankbar darüber, das alles so kam, wie es gekommen ist. Paul Kirchhof ist nicht der bessere Peer Steinbrück, er will es nicht sein. Er ist „glücklich“, ein Professor in Heidelberg sein zu dürfen. Denn das ist, wie gesagt, eine Ehre. JAN ZIER