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Archiv-Artikel

„Wir müssen viel populärer arbeiten“

Franziska Nentwig steht vor der Herkulesaufgabe, die 13 Museen der Stiftung Stadtmuseum neu zu ordnen und attraktiver für Besucher zu machen. Das Ziel der Stiftungs-Direktorin: Die Museen sollen zu einer Art „Gewissen der Stadt“ werden

Interview Nina Apin

taz: Frau Nentwig, im Februar sind Sie angetreten, um die Berliner Stadtmuseen zu ordnen. Haben Sie noch den Mut dazu – jetzt, wo Sie das ganze Ausmaß der Zersplitterung überblicken?

Franziska Nentwig: Meinem Mut geht es prima, danke! Ich habe doch eine sehr reizvolle Aufgabe: Ich möchte aus dem komplizierten Gebilde „Stiftung Stadtmuseum Berlin“ ein lebendiges Museum formen, das Berliner Stadtgeschichte durch viele verschiedene Brillen betrachtet.

An dieser Aufgabe sind bereits Ihre beiden Vorgänger gescheitert. Was ist Ihr Ansatz?

Ich habe erst einmal Bestand erhoben. Aufgefallen ist mir die sehr heterogene Wahrnehmung unseres Museumskonglomerats. Es gibt Einzelbereiche, die ihr Publikum gefunden haben. Doch insgesamt sehe ich die Aufgabe, Stadtgeschichte lebendig darzubieten, noch nicht erfüllt. Die Stiftung Stadtmuseum braucht ein unverwechselbares Profil, eine Dachmarke. Eine Neuprofilierung können wir langfristig aber nur durch Verschlankung erreichen.

Also Häuser schließen und Immobilien verkaufen, wie es Kulturpolitiker gern fordern?

Da gibt es ein großes Missverständnis! Die Stiftung Stadtmuseum Berlin kann keine Grundstücke verkaufen, da sie keine besitzt. Grundstücksverkäufe sind Sache des Liegenschaftsfonds oder wer im Einzelnen Eigentümer ist. Wir bespielen die Häuser lediglich. Mit sehr wenig Geld übrigens: Nur ein Prozent unseres Etats geht in die Gestaltung der Ausstellungen. Die anderen 99 Prozent sind feste Kosten, die sich aus Gebäuden und einem tarifrechtlich fixierten Personalkörper ergeben.

Wie können Sie denn „verschlanken“, ohne die Möglichkeit Personal abzubauen und Standorte zu schließen?

Ich will gar niemanden entlassen! Ich habe 150 Mitarbeiter, die mit mir zusammen den Auftrag haben, diesem Museum ein Profil zu geben.

Fühlen Sie sich von der Politik unterstützt?

Sehr. Besonders die Kulturverwaltung engagiert sich ganz erfreulich. Ich finde es gut, dass für das nächste Haushaltsjahr eine Kosten-Leistungs-Rechnung für die Museen eingeführt wurde. Es ist richtig, dass die Verwaltung von ihr geförderte Einrichtungen zum unternehmerischen Denken ermutigt.

Der Senat hat kürzlich zehn Millionen Euro aus Lottomitteln für den Ausbau des Märkischen Museums bewilligt. Bekommt die auf dreizehn Museen verstreute Sammlung damit wieder ein zentrales Haus?

Das Märkische Museum mit der Dauerausstellung ist das Herz unseres Verbundes und das Rückgrat unserer Sammlung. Um die besser präsentieren zu können, müssen wir es dringend ertüchtigen. Ich bin sehr dankbar, dass uns die Lottomittel das erlauben. 7,6 Millionen Euro werden für den Ausbau des Dachgeschosses und ein neues Treppenhaus verwendet, den Rest werden wir in die Konzeption der neuen Dauerausstellung stecken.

Trotzdem bleibt das Märkische Museum zu klein, um alle Schätze der Sammlung zeigen zu können. Wäre der nächste logische Schritt nicht der Ausbau des gegenüberliegenden Marinehauses, das leer steht und dem Land gehört?

Das Zusammenspiel der beiden Museen wäre wirklich sehr reizvoll: Das Märkische Museum ist ein sehr verwinkeltes Haus, das zum Entdecken einlädt. Das Marinehaus bietet mehr Fläche und würde großflächigere Sonderausstellungen ermöglichen. Doch zuerst müssen wir uns auf den Ausbau des Märkischen Museums konzentrieren.

Ist die WM-Ausstellung „Story of Football“ im Haus des Deutschen Sports ein erster Versuch, von dem staubigen Image loszukommen, das die Stadtmuseen begleitet?

Ja. Wir müssen in Zukunft viel populärer arbeiten und unsere reichhaltige Sammlung in spannende Themen bündeln. Am besten museumsübergreifend, das wäre mein Ansatz. Unser offizieller Name ist „Stadtmuseum Berlin, Landesmuseum für Kultur und Geschichte“. In der Verknüpfung von Kultur und Geschichte mit Kunst- und Kulturwissenschaft sehe ich eine tolle Chance. Die Vergangenheit der Stadt gibt so viel her: Manche Verhältnisse haben sich völlig verkehrt. Zum Zeitpunkt der Industrialisierung war Berlin ein Motor, heute ist die Industrie fast weg. Da könnten wir fragen: Wie geht Berlin mit dem Thema Arbeit um, oder mit Migration? Die Stadtmuseen müssen eine Art Gewissen der Stadt werden und ihre Geschichte in Objekten präsentieren.

Sie haben ja viel vor …

Sehen Sie: Wir haben kein Geld und ungenügende räumliche Bedingungen, aber wir haben Mut! Die Zeiten sind vorbei, als die Museen beider Stadthälften Schaufenster des jeweiligen Systems waren, mit großzügigen Mitteln. Jetzt müssen wir Kooperationen mit anderen Museen und Wissenschaftsinstitutionen aufbauen und unseren knappen Gestaltungsspielraum nutzen.

Ist es für Ihre Aufgabe von Vorteil, dass Sie aus Dresden stammen und keine Berlinerin sind?

Seit Februar bin ich offiziell Berlinerin. Aber die innere Landkarte der Stadt muss ich mir erst erarbeiten. Das hat den Vorteil, dass ich auf Entdeckungen genauso hungrig bin wie mancher Museumsbesucher. Immer wenn ich durch die Stadt gehe, läuft ein Nebenfilm in meinem Kopf: Was könnte man daraus für welches Museum machen? Es ist ein weiterer Vorteil, dass ich bestimmte Ballaststücke der Erinnerung nicht mit mir herumtrage. Ich staune oft, wie stark diese alte Wahrnehmung von West-und Ostberlin noch immer ist. Momentan ist es jedenfalls eine sehr spannende Phase für mich.

Sie haben dazu beigetragen, das Dresdner Hygienemuseum von seinem betulichen Gesundheitsimage zu befreien und zu einem jungen, viel besuchten Museum zu machen. Was können die Berliner Museen von Dresden lernen?

Der Weg des Hygienemuseums ist exemplarisch für das Potenzial von Museen. Im besten Fall können sie Visitenkarte einer Stadt werden. In Dresden gelang der Weg von einem drögen Gesundheitsmuseum zu einem modernen „Museum vom Menschen“. Es gibt viele solcher Erfolgsgeschichten, durch programmatische Neuausrichtung oder spektakuläre Neubauten. In Berlin besteht der Trick darin, trotz einer den Denkmalcharakter betonenden Gebäudehülle einen lebendigen Innenraum zu schaffen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Ich bin ein großer Fan amerikanischer Museumskultur. Die Amerikaner nehmen ihren Vermittlungsauftrag gegenüber dem Publikum recht hemdsärmelig wahr, ganz ohne Staubschicht. Da will ich hin. Ich will erreichen, dass wir ein Haus der offenen Türen mit einem Stammpublikum werden. Gerade wir hätten die besondere Aufgabe, nicht einfach nur Objekte zu präsentieren, sondern den Berlinern Neues über ihre Stadt zu zeigen und Identifikation zu fördern. Die Gäste sollen von uns erfahren, warum Berlin so ist, wie es ist.