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Archiv-Artikel

„Ich werde nie ein großer Grätscher“

DFB-MANNSCHAFT Fällt Bastian Schweinsteiger morgen gegen England aus, wird Toni Kroos ihn ersetzen müssen

Toni Kroos

■ In einer als multikulturell gefeierten Mannschaft besetzt Toni Kroos eine ganz besondere Ethnie: Er ist der einzige noch in der DDR geborene DFB-Profi im WM-Kader, weil René Adler und Michael Ballack verletzungsbedingt nicht in Südafrika dabei sein können. „Ossi-Sein ist für mich nicht von Bedeutung“, sagt er im taz-Gespräch. „Klar weiß ich, dass es ein paar Unterschiede zwischen Ost und West gegeben hat. Aber ich bin normal aufgewachsen.“ Im morgigen Achtelfinale gegen England (16 Uhr, ARD) könnte Kroos Bastian Schweinsteiger ersetzen, „das Herz dieser Mannschaft“, so Bundestrainer Joachim Löw gestern. Hinter dem Herz steht aber – aufgrund der Oberschenkel aus dem Ghana-Spiel – noch „ein großes Fragezeichen“. (taz)

INTERVIEW MARKUS VÖLKER

taz: Herr Kroos, haben Sie sich heute schon nach dem Gesundheitszustand von Bastian Schweinsteiger erkundigt?

Toni Kroos: Nee, noch nicht.

Wenn er auf seiner Position im defensiven Mittelfeld wegen einer Verhärtung im Oberschenkel am Sonntag gegen England nicht spielen kann, dann müssen Sie ran.

Ja, das ist richtig, aber das macht mich nicht besonders nervös. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Schweini fit wird. Wenn nicht, dann bin ich da. Genauso wie ich in der Schlussphase des Ghana-Spiels eingesprungen bin, so werde ich auch diesmal bereitstehen.

Es wäre aber nicht Ihre Lieblingsposition.

Grundsätzlich sehe ich mich als Offensivspieler, ganz klar, aber dadurch, dass auf dieser Position einige Spieler ausgefallen sind, hat mich der Trainer ja schon mal getestet gegen Ungarn. Da hat es gut geklappt. Der Bundestrainer weiß, dass ich den Sechser spielen kann – auf meine Art.

Was heißt das, auf Ihre Art?

Ich werde nie ein großer Grätscher werden. Ich versuche immer, alles fußballerisch zu lösen. Mit technischer Qualität. Ich weiß aber auch, dass auf dieser Position taktische Disziplin gefragt ist. Da müsste ich mich ein bisschen umstellen. Ich kann nicht jeden Angriff mitgehen. Und man müsste sich auch ständig mit dem zweiten Sechser abstimmen.

Sehen Sie sich in der Rolle des Lückenbüßers, weil Ihre Vorlieben ja anderswo liegen?

Nein, das ist eine Wertschätzung, denn der Bundestrainer traut mir diese defensive, ungewohnte Rolle zu. Grundsätzlich spiele ich ja vorm Sechser in der Mitte oder links. Ich weiß echt nicht, ob man sich als Lückenbüßer sehen muss, wenn man der erste Nachrücker für Schweini ist. Man muss halt flexibel sein, um Einsatzzeit zu bekommen.

Die Leverkusener Presse hat sie einmal als „Defensiv-Schlampe“ bezeichnet. Haben Sie eine Ahnung, aus welchem Grund?

Na ja, was soll ich dazu sagen (lacht). Ich denke, dass ich dieses Urteil in Leverkusen widerlegen konnte.

In Leverkusen haben Sie neun Tore geschossen und zwölf vorbereitet. Sind Sie Jürgen Klinsmann dafür dankbar, dass er Sie auf Leihbasis hat ziehen lassen von Bayern zu Bayer?

Ich hätte mich auch in München ins Rampenlicht spielen können, aber gut, die Möglichkeit wurde mir damals nicht gegeben. In Leverkusen konnte ich zeigen, was ich draufhabe.

Wieso wurden Sie weggeschickt?

Ach, es war einfach keine optimale Zeit. Ich brauchte Spielpraxis. Die habe ich in Leverkusen bekommen.

Gehen Sie gern zurück zu den Bayern?

Ich habe mich in Leverkusen sehr wohlgefühlt, aber bei den Bayern habe ich die Chance, wieder einen großen Schritt zu tun. Außerdem komme ich als ein anderer Spieler wieder.

Inwiefern?

Ich bin jetzt ein gestandener Spieler. Ich habe die erste Saison komplett durchgespielt. Es lief unheimlich gut. Ich konnte endlich auf dem Platz bestätigen, was immer nur geschrieben wurde.

Gegen England steht die nächste große Bewährungsprobe für ein junges Team an. Sind Sie gewappnet?

Wir freuen uns aufs Spiel. England hat ja bisher nicht überragend gespielt. Wir können gegen England weiterkommen. Wir werden genauso in das Spiel gehen wie gegen Ghana.

Bitte nicht, das war ja eher ein Zittersieg!

Wenn wir 1:0 gewinnen, dann sind wir zufrieden.

Sie wollen also nicht mit Superoffensivfußball die Engländer an die Wand spielen?

Wenn wir bei einem Sieg auch noch schön spielen, umso besser. Aber das Ziel ist die nächste Runde. Die Chancen dafür stehen fifty-fifty.

Das erste Spiel gegen Australien war ein Versprechen. Können Sie dieses Versprechen nun nicht mehr einlösen?

Australien war schwach an diesem Tag. Dass es nicht in diesem Hurrastil durchs ganze Turnier geht, das ist doch normal.