: „Die Wahrheit wird verheimlicht“
Wein wird künftig ganz billig oder sehr edel hergestellt, prophezeit Weinbauern-Chef Prinz zu Salm. Und das muss auch auf dem Etikett sichtbar werden, fordert er
taz: Prinz zu Salm, braucht die EU eine Reform ihres Weinmarktes?
Michael Prinz zu Salm-Salm: Unsere Winzer verstehen Weinbau noch als Handwerk – und sie unterscheiden sich daher grundlegend von den Betrieben, die Wein industriell herstellen. Daher ist eine Reform der EU-Weinmarktordnung dringend notwendig, und zwar vor allem im Bereich der Etikettierung. Der Verbraucher kann heute nicht erkennen, wie der Wein, den er kauft, hergestellt wurde. Bei jedem Orangensaft erfährt er, ob dazu Konzentrat verwendet wurde oder ob man Wasser zugesetzt hat. Beim Wein erfährt er nichts. Wurde er mit Eichenholzchips aufgepeppt? Wurde der Most konzentriert? Natürlich sollte die Bewertung des Weins jedem Verbraucher überlassen werden, doch um werten zu können, muss man die Wahrheit wissen. Und diese Wahrheit wird heute verheimlicht.
Wie müsste eine Reform der EU-Weinmarktordnung also aussehen?
Wenn sich in der EU das Verständnis dafür durchsetzen würde, dass es zwei Arten der Herstellung von Wein gibt, dann muss sich dies auch in der Ordnung des Marktes widerspiegeln. Wir als handwerklich arbeitende Winzer kämpfen nicht für Subventionen, sondern für Klarheit in der Deklaration. So könnte man für die unterste Gruppe von Weinen die neuen Herstellungsmethoden zulassen, für Qualitätsweine aber nicht.
Ziel der Reform soll sein, Marktanteile, die der europäische Wein gegenüber der Neuen Welt verloren hatte, zurückzugewinnen. Kann dies mit den jetzt vorgelegten Konzept gelingen?
Es ist natürlich sehr schwer, den Weinbau, der jahrhundertelang national reglementiert wurde, in eine globalisierte Wirtschaft zu überführen. Nach deutschen Standards zu arbeiten ist etwas anderes, als in der Wüste Wein zu machen. In Brasilien zum Beispiel gibt es derzeit Experimente in sehr heißen Gegenden. Dort beregnet man die Weinparzellen dauerhaft, wenn man den Regen dann unterbricht, meint die Rebe, die Vegetationszeit sei vorbei. Durch diese Manipulationen versucht man, zweimal im Jahr zu ernten. Solche widernatürliche Methoden in Europa einzusetzen ist für mich undenkbar.
Nach dem Weinhandelsabkommen mit den USA hat sich Landwirtschaftsminister Seehofer für ein Reinheitsgebot für Weine stark gemacht. Davon ist inzwischen wenig zu hören.
Der Wettbewerbsdruck in der Weinbranche ist extrem groß. Wenn man Eichenholzschips statt eines kleinen Holzfasses verwendet, kann man den Wein um 1 Euro pro Liter billiger machen. Daher kann es sein, dass der Konkurrenzdruck schneller wächst als die Klugheit in der Weinbaupolitik. Weingesetze werden immer mit der Branche abgestimmt, und die Branche ist sich nicht einig. Da gibt es eben auch die Massenweinproduzenten. Und in der Politik entscheiden Mehrheiten …
Da hilft dann nur noch Selbstorganisation?
Wir im VDP haben bereits ein Reinheitsgebot, wer sich daran nicht hält, fliegt raus. Wir haben von 160 Betrieben 60 ausgeschlossen, weil sie zu viel oder zu schlechte Weine produzierten. Mein Vorschlag an die VDP-Mitgliederversammlung am 11. Juli ist, dass wir keine Verwendung von Chips zulassen. Das wird eine spannende Debatte werden. Denn natürlich gibt es auch in Deutschland Winzer, die überlegen, ob sie Wettbewerbsnachteile hinnehmen wollen. Vor allem, wenn es nicht zu der Etikettierungspflicht kommt.
INTERVIEW: SABINE HERRE