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Archiv-Artikel

„Krieg der Worte“

POLITIK & PARTY Vor 20 Jahren lehnten sich die Zapatistas in Süd-Mexiko gegen die Regierung auf

Von MBW
Dorit Siemers

■ 44, Geografin und Filmemacherin, war wiederholt in Chiapas – unter anderem als Menschenrechtsbeobachterin.

taz: Frau Siemers, warum erinnern Sie heute Abend an einen Aufstand in Mexiko Anfang 1994?

Dorit Siemers: Die Zapatistas haben in 20 Jahren viel erreicht: Nach zwölf Tagen bewaffnetem Aufstand kämpfen sie seitdem nur noch mit Worten. Die Aufständischen verwalten sich selbst, haben ein Bildungs-, Gesundheits- und Rechtssystem aufgebaut. Sie haben die Lage der Frauen verbessert.

Wer genau hat sich damals erhoben?

Hauptsächlich Teile der indigenen Bevölkerung in Süd-Mexiko, die sich in Chiapas gegen die Regierung erhoben. Sie besetzten mehrere Städte, vertrieben Großgrundbesitzer und kämpften mit Waffengewalt gegen ihre unwürdigen Lebensumstände. Die Bewegung hat heute mindestens 100.000 Anhänger.

Wie sahen diese Lebensbedingungen aus?

Die Indígenas wurden seit Jahrhunderten diskriminiert. Sie mussten in sklavenähnlichen Verhältnissen für die Großgrundbesitzer arbeiten. Besonders Frauen wurden unterdrückt: Die Großgrundbesitzer hatten das „Recht der ersten Nacht“ und vergewaltigten sie vor ihrer Hochzeit.

Wie ist die Situation heute?

Es herrscht ein Krieg der niederen Intensität. Die Zapatistas werden unterdrückt und diskriminiert. In Chiapas gibt es eine hohe Militärpräsenz, um sie einzuschüchtern. Die Regierung betreibt Desinformation: Sie behauptet, dort würden Drogen angebaut, dabei sind Alkohol und Drogen in den zapatistischen Gemeinden verboten.

Sie sind Mitglied des Kaffee-Kollektivs „Aroma Zapatista“, das den Abend mitveranstaltet. Was genau ist das?

Wir vertreiben fair gehandelten Bio-Kaffee mit guter Qualität. Mit dem Verkauf werden drei zapatistische Kooperativen unterstützt und wir spenden Geld, das der ganzen Bewegung zu Gute kommt – nicht nur den Kaffeebauern.

Warum treten heute keine KünstlerInnen aus Chiapas auf?

Viele Zapatistas haben keinen Pass. Zum anderen sorgt sich die Bewegung um ihre Sicherheit, wenn Angehörige offiziell als Zapatistas reisen. Aber die Mexikanerin Gabriele Gorjon hält einen Vortrag über Zapatismus und Musik.  INTERVIEW: MBW

Schwerpunkt SEITE 4 20 Jahre zapatistischer Aufstand, Vortrag und Film „ Aufstand der Würde“ von Dorit Siemers, danach Konzert Arma di Scelta („rap militante internationale“ aus Thessaloniki) und Mestizo-Sounds-DJs: 19 Uhr, Hafenklang