: „Hoffentlich macht er keinen Scheiß“
„Wir haben nie gesagt: Du musst Bundesligaspieler werden. Sondern: Geh hin, gib dein Bestes“: Stefan Mertesacker spricht über den unglaublichen Aufstieg seines Sohnes Per, der heute im Weltmeisterschafts-Achtelfinale gegen Schweden erneut in der deutschen Abwehr spielt
Interview: BENJAMIN APITIUS
taz: Wie haben Sie die Entwicklung Ihres Sohnes erlebt?
Stefan Mertesacker: Eigentlich ist es Wahnsinn. Vor zwei Jahren hat er noch Oberliga gespielt. Aber bei Per stimmen einfach die drei Voraussetzungen: FKK, also Fußball, Kopf, Körper. Wir haben nie gesagt: Du musst Bundesligaspieler werden. Sondern: Geh hin, gib dein Bestes. Dann hat Ewald Lienen (Ex-Trainer von Hannover 96, d. R.) auf ihn gesetzt. Von da ab ging es schnell in die U 21.
Wie kommt er mit dem Aufstieg zurecht?
Das zeigt er nach außen nicht so, aber innerlich muss das der Hammer sein. Vor vier Jahren haben wir noch die WM zusammen im Fernsehen geguckt, jetzt spielt er mit den Jungs. Davor habe ich diese Liste auf seinem Schreibtisch gesehen, da standen die Namen: Ballack, Kahn undsoweiter.
Was erzählt Per von der Nationalmannschaft?
Der redet ja nicht viel. Er spricht mal einen Satz, sagt, dass es gut war. Auch wenn sie richtig auf die Mütze gekriegt haben, wie in der Türkei und Südafrika, kommt Per wieder und meint „war in Ordnung“. Olli und Lehmann, sagt er, sind super Typen. Der eine schreit ein bisschen mehr, der andere weniger.
Und Ballack?
Per sagt: klasse Kumpel. Nach einem gewonnenen Spiel gehen sie auch mal länger weg. Dass da eine gewisse Hierarchie besteht, dass der dem Ballack nicht erzählt, wo er lang laufen muss, ist auch klar. Mit den Bremern kommt er sehr gut aus: Borowski und Frings, Owomoyela, das sind so seine.
Wie ist Ihr Kontakt zu Jürgen Klinsmann?
Das ist sensationell. Beim Länderspiel in Bremen hat der Jürgen uns angerufen und gesagt, Mensch, kommt doch mal hoch. Der Jogi Löw, Bierhoff waren dabei, Per, meine Frau und ich. Wenn es Probleme gibt, können wir jederzeit anrufen, gerade zur WM. Finde ich klasse.
Wie viel dreht sich zu Hause um Per?
Man muss nicht jeden Tag über Fußball reden. Ihn nervt das auch. Wir dürfen es nicht übertreiben, die anderen beiden sind auch noch da. Zum Glück gibt es nie Neid. Per ist großzügig. Der hat dem Großen die Ausbildung bezahlt, gibt dem Kleinen Geld, wenn er Fahrten macht. Das ist schon kulant.
Väter sind oft die größten Kritiker. Wie sind Sie?
Als er in Kaiserslautern ein Kopfballduell gegen diesen kleinen Halfar verloren hat, habe ich ihn gesagt: Was hast du dir da für einen Mist zusammen gespielt! Das gibt manchmal Ärger.
Wie kann Per sich gegen einen wie Ronaldinho aufs Fußball spielen konzentrieren?
Das schätze ich an ihm, diese Kaltschnäuzigkeit zu sagen, jetzt muss ich da durch. Ich bin da viel ängstlicher. Sein erstes Bundesligaspiel gegen Kaiserslautern, da spielten Klose und Hristov noch, meine Güte. Und als sie in Frankreich gespielt haben gegen Henry – was wird das bloß, dachte ich.
Wie versuchen Sie ihrem Sohn, den WM-Druck zu nehmen?
Gar nicht. Ein junger Spieler geht auf den Platz und will. Per sagt, ConfedCup, da waren wir gut, mannschaftliche Geschlossenheit. Ich glaube, dass die denken, sie können. Sollten sie auch. Da wird der Klinsmann die zu peitschen. Die sehen, die Zuschauer stehen hinter uns. Der Schiri vielleicht noch ein bisschen. Per hat mit 21 schon über 20 Länderspiele, knapp 70 Bundesliga-Einsätze, die Grundlage ist da.
Ihr Haushalt ist bestimmt total auf Fußball fixiert. Wie geht Ihre Frau damit um?
Sehr positiv. Sonst wäre die Ehe schon kaputt. Als sie mich geheiratet hat, da wusste sie schon, der spielt Fußball. Ein bisschen Ahnung hat sie inzwischen schon. Nur manchmal, wenn sie ihre Söhne zu sehr lobt, muss man sagen, hör mal zu, so gut war das gar nicht. Sie macht auch Pers Post.
Aha …
Autogrammwünsche, Anfragen, Termine - das sind jetzt alle drei Wochen bestimmt 50, 60 Briefe. Gut, dass er noch zu Hause ist. Sonst würde er das gar nicht geregelt kriegen. Ich würde nie sagen, du bleibst jetzt, kein Thema. Aber im Moment bin ich noch ganz froh, dass er sich bei uns ausheulen kann.
Kann sich Per in Pattensen normal bewegen?
Ja, er kommt auch mit, wenn sein Bruder Fußball spielt in der 9. oder 10. Liga. Wir wollen ganz normale Menschen bleiben.
Wie nervös sind Sie jetzt?
Wenn 96 spielt, ist es für mich fast noch extremer als bei der Nationalmannschaft, weil da noch mehr dran hängt für den Verein. Für die Jungs ist das Match gegen Schweden aber wie ein Spiel auf Leben und Tod. Der Druck der Öffentlichkeit ist schon sehr groß. Zum Glück haben die, die Fußball spielen, aber meist nicht so viel Probleme damit wie die draußen. Hoffentlich macht er keinen Scheiß, auf Deutsch gesagt.