piwik no script img

Archiv-Artikel

Zu Gast bei Freunden

Das geteilte Zypern ist nicht unbedingt die Insel der endlosen Sandstrände, aber ein paar nette Abschnitte gibt es, und Trophäen der Geschichte lauern überall. Urlaub bei Harry im Club mit Anspruch auf der „Insel der Götter“

von KORNELIA STINN

„En taxi“ – alles klar, alles in Ordnung –, das fragt Antonio jeden Morgen, wenn er in den Bus steigt, um den Tagestrip einer Reisegruppe über „seine“ Insel routiniert wort- und wissensreich zu garnieren. Schade nur, dass er manchmal einschläft, bevor der Bus anscheinend achtlos an augenfälligen Kirchen vorüberrauscht. Tippt man aber sanft mit der Fingerkuppe auf seine breite Schulter, ist es, als habe man eine Münze in den dafür vorgesehenen Schlitz geworfen.

Und weil Altes in Zypern so begehrt ist, erzählt er gerne von den alten Zeiten. Da sind die Storys vom Großvater, der noch – äußerst erfolgreich – die Zähne mit Zitronensaft und Salzbeigabe per Finger putzte und mit seiner Familie und den beiden Ochsen in einem großen Raum lebte. Nicht zu kurz aber kommen vor allem jene Anekdötchen, in denen Antonio selbst der Hauptakteur ist. Er, der eigentlich „im Wald“ aufwuchs, mit der Ziegenherde im Unterholz der Macchia umherstreunte. Natürlich kennt der stämmige Zyperngrieche auch all die Geschichten, die sich um die Mosaiken im Archäologischen Park in Pafos ranken. Und natürlich rollt er mit Herzblut die innerzyprischen Probleme zugunsten der Zyperngriechen auf.

Zwischen den programmgemäßen Sehenswürdigkeiten zeigt er der Gruppe ein paar Strände. Zypern ist nicht unbedingt die Insel der endlosen Sandstrände, aber ein paar nette Abschnitte gibt es schon. Man nehme etwa die Lara Bay. Da allerdings sollten Wasserratten im Juli und August Rücksicht auf die Schildkröten nehmen. Die legen nämlich dann dort ihre Eier in den Sand. Romantisch liegt auch der Corall Beach bei Pafos, der zum Tauchen taugt, oder der lange, sehr flach ins Meer verlaufende Nissi Beach Richtung Agia Napa.

„Hallo, ich bin der Harald und darf euch ganz herzlich im Aldiana begrüßen.“ Harald ist ziemlich nett und Clubchef. Außerdem so schön und knackig braun wie Sascha Hehn. Beinahe. Verzeihung, Sascha, nicht zuletzt dafür, dass an dieser Stelle so locker-flockig ein Du unterschwellig mitschwingt. Aber das lernt man bei Harald. Den jedoch mag man am liebsten gleich Harry nennen. Klar hat der nichts mit jenem Harry gemein, an den einst der Fernsehkommissar die legendären Worte richtete: „Harry, hol schon mal den Wagen.“ Der Aldiana-Harry darf, ja muss selber holen lassen.

Unser Freund Harry. Denn im Aldiana macht man Urlaub unter Freunden. Auf hohem Niveau, wie Harry eben sagt, wenn er in Wahrheit von den Preisen redet. Die, nebenbei bemerkt, mal lässig pro Person 1.500 Euro die Woche inklusive Flug ausmachen. So viel „Niveau“ muss doch erst mal abgewohnt werden! Doch was ist eigentlich mit Zypern? Wie viel Zeit bleibt da am Ende noch für die Insel übrig?

Schließlich heißt „nach Zypern reisen“ vier Flugstunden und 2.800 Flugkilometer hinter sich bringen. Dann landet man im östlichen Mittelmeer zwischen Türkei, Syrien und Libanon. Zypern, das ist – es hat sich herumgesprochen – der Ort, wo die Götter ihre Techtelmechtel trieben und am schönsten Felsmonument Aphrodite, die Betörendste unter ihnen, schaumgeboren den Fluten entstieg. Wo, sieht man einmal ab von der hitzig umfochtenen Inselteilung und den diversen militärischen Sperrgebieten, ganz wie anderswo in ehemals wilden Buchten bald einmal der Horizont durch Hotelanlagen begrenzt wird, wahrhaft biblisch Altes aber unvergänglich ist. Trophäen der Geschichte lauern überall.

Das Kloster Kykkos beispielsweise im Troodos-Gebirge, die beredten Mosaiken in Paphos oder die 1.700 Jahre alten Freilicht-Theaterränge von Kourion neben den römischen Badruinen hoch über dem Meer – das wollen viele sehen und die müssen ja andererseits wiederum irgendwo wohnen. Irgendwo? Da wundert man sich, wenn man nur zwanzig Minuten von Lanarka entfernt plötzlich auf dieses Stück – sagen wir mal Wanne-Eickel am Meer – trifft. Aldiana, Urlaub unter Freunden. Da wird der Titel an der Theke abgegeben. Luxuriöse Gemütlichkeit auf gut Deutsch. Und schließlich – das muss nun doch einmal gesagt werden –, man muss auch gar nicht Zypern sehen, wenn man nicht will! Ja noch nicht einmal das Meer drängt sich auf. Es ist mehr eine flankierende Maßnahme für die, denen die beiden Pools zu klein sind oder zu steril.

Aldiana ist eben Aldiana, und damit basta. Dem nach innen Gerichteten bietet die Anlage praktisch alles. Und wen die Qual der Wahl – Tennis oder Tauchen, Thalasso oder Theater, Mountainbike oder Muse, Wellness oder Walken … bedrückt, den nimmt garantiert einer der neunzehn Animateure bei der Hand.

Heiko zum Beispiel. Der, der auch die Cocktailgläser mit den Krabben so artistisch auf dem Gala-Diner-Büfett drapiert, dass sich niemand davon zu nehmen traut. Oder der sein Hemd in der Disko dann doch ein paar Knöpfe zu weit öffnet.

Apropos Freunde. Nie, nein wirklich noch nie erhob einer Einspruch beim obligatorischen Du. Und niemals – Harry weiß das ganz genau – kam es vor, dass einer abgefüllt vom Barhocker kippte … Geheime Geschicke scheinen zu lenken, dass ohnehin nur kommt, wer hierher passt. Denn: „Um Himmels Willen, die Philosophie des Aldiana, die ist natürlich nicht für jeden was“ – Harry rollt die Augen Richtung Decke, und flugs purzeln sie wieder über die lächelnden Lippen – seine Lieblingsworte von der Qualität auf hohem Niveau. Angewachsen ist es, dieses Lächeln. Das ist – weil ausnahmslos verfügbar – ganz schön praktisch. Bei all den Freunden.

Aber was ist nun mit der Insel? Die Insel? Menschenskind, ja. Alles geht – wirklich alles. Aldiana macht das schon. Mit dem Jeep zum Beispiel kann man über die Schotterpisten der Naturrefugien der Akamas-Halbinsel donnern. Die gescheckten Damaskus-Ziegen mit ihren langen Ohren wundern sich da schon gar nicht mehr. Nur die zartgliedrigen Orchideen, die ziehen vielleicht noch ängstlich ihre Köpfe ein. Und ein Wachtposten der Polizei ist ohnehin zum Smigies-Grillplatz abkommandiert. Falls dort mal einer das Feuerentfachen nicht so recht beherrscht … Holdrio, die Aldianer kommen!