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Archiv-Artikel

Carstensens schwarz-gelbe Mehrheit vor Gericht

ZITTERPARTIE Verfassungsrichter wollen die Sitzverteilung in Kiel bis Ende August streng prüfen

Von EST

Die schwarz-gelbe Koalition in Kiel regiert mit einer denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme. SPD, Grüne, SSW und Linke hatten bei der Wahl im vergangenen September sogar rund 27.000 Zweitstimmen Vorsprung – im Parlament hat Schwarz-Gelb aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten aber eine Mehrheit. Mehrere Oppositionsfraktionen sowie Einzelpersonen klagen gegen diese „Kapriole des Wahlsystems“, wie Wilhelm Mecklenburg, Anwalt der Grünen und des SSW, es nennt. Gestern verhandelte das Landesverfassungsgericht in Schleswig, eine Entscheidung soll aber erst nach den Ferien am 30. August fallen.

Möglich ist, dass das Gericht für die Zukunft eine Änderung des Wahlrechts verlangt, aber auch, dass ein Beschluss sich auf den heutigen Landtag auswirkt, falls die Sitze neu verteilt werden. Würde das Gericht Verstöße gegen die Verfassung feststellen, „wäre das Entscheidungsspek trum breit“, sagte Gerichtspräsident Bernhard Flor, der durchblicken ließ, dass er strenge Maßstäbe anlegen werde.

Die Juristen streiten sich um den Begriff „weitere Sitze“ im Wahlgesetz. Je nachdem, was damit gemeint ist, wird eine andere Zahl von Sitzen auf die Parteien verteilt. Für den Verwaltungsrechtler Professor Wolfgang Ewer, der den Landtag vertritt, ist das entscheidende Mandat mehr für CDU und FDP korrekt. Die Gegenseite liest das Gesetz anders, demnach schmölze die Regierungsmehrheit dahin. Hintergrund ist die Frage, ob beim Ausgleich von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht alle Stimmen gleich schwer wiegen. Zurzeit, so der Anwalt der Linken, Hans- Peter Schneider, gebe es ein zu starkes Gewicht für die Erststimmen.

Auf jeden Fall sei die Abgeordnetenzahl von 69, die das Gesetz vorsieht, „dramatisch verfehlt“ worden, stellte Richter Flor fest. Er sagte weiter, dass es um die Prüfung der Norm ginge. Für die Wahlprüfung sei der Landtag zuständig. Schneider hatte vorher darauf hingewiesen, dass das Verfassungsgericht in diesem Fall als Berufungsinstanz für die Wahlprüfung fungiere.

Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler wehrte sich gegen den Vorwurf von Anwalt Mecklenburg, befangen zu sein: Sie habe ihr Amt „mit der gebotenen Neutralität ausgeübt“. EST