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Archiv-Artikel

„Ich bin Deutsche“

KUNST Von Manila über Oberfranken nach Berlin: Lizza May David über Herkunft und Nostalgie

Lizza May David

■  35, geboren in Manila, ist Multimedia-Künstlerin und Filmemacherin in Berlin. In Dokumentarfilmen wie „Two Years More“ beschäftigt sie sich mit Migration und Identität. Foto: JS

INTERVIEW JANELLE DUMALAON

Frau Lizza May David …

Lizza May David: Ich weiß, was Sie fragen wollen. Warum ich so groß bin.

Sie sind groß für philippinische Verhältnisse.

Das war das bayerische Essen. So erkläre ich das immer. Warum genau, weiß ich natürlich nicht.

Sie sind in Oberfranken aufgewachsen.

Meine Mutter und ich haben Manila verlassen, als ich acht Jahre alt war, und sind nach Oberfranken gezogen. Später habe ich Bildende Kunst in Nürnberg studiert. 18 Jahre habe ich in Bayern gelebt.

Das hat Ihnen dann gereicht.

Ja. Ich habe festgestellt, dass es meiner künstlerischen Arbeit nicht hilft, wenn ich an einem Ort verharre. Antworten auf die Fragen, die mich ein Leben lang begleitet haben, konnte ich in Bayern nicht finden.

Was sind Ihre Fragen?

Was heißt Identität? Was heißt Nationalität? Was heißt Erinnerung? Ich wollte herausfinden, wer ich bin. Ich fühlte mich weder als Filipina noch als Deutsche. Ich bin zwar auf den Philippinen geboren, kannte aber außer meiner Mutter niemanden auf den Philippinen.

Wo haben Sie Antworten gesucht?

2001 bin ich nach Berlin umgezogen. Hier gibt es eine große philippinische Gemeinschaft mit einem festen Zusammenhalt. Ich habe viele andere Familien mit philippinischem Hintergrund kennen gelernt.

Auf den Philippinen wollten Sie nicht suchen?

Das habe ich auch gemacht. Mein philippinischer Vater ist in Manila geblieben und hat dort seine eigene Familie gegründet. Ich versuche, ihn alle zwei Jahre in Manila zu besuchen. Die Frage, was aus mir geworden wäre, wenn ich auf den Philippinen geblieben wäre, hat mich lange beschäftigt. Ich wollte die Schicksale und Autobiografien meiner ganzen Verwandtschaft mit meiner eigenen vergleichen. Aber die Unterschiede sind einfach zu groß.

Was haben Sie stattdessen herausgefunden?

Wenn ich an Manila denke, spüre ich kein Heimweh, sondern Nostalgie. 26 Jahre hat es gebraucht, bis ich das verstanden habe. Ich denke an meine Kindheit, aber nicht an einen Ort. Ich habe einen deutschen Pass und spreche hauptsächlich Deutsch. Ich bin Deutsche. Mein deutscher Blick spielt immer eine Rolle, auch wenn ich das Thema meiner philippinischen Heimat bearbeite.

Sie haben sich viel mit dem Thema der philippinischen Diaspora auseinandergesetzt.

l8 Millionen Filipinos leben im Ausland. Aber die meisten verwenden das Wort Diaspora nur ungern, auch meine Mutter. Erst meine Generation fragt, was es bedeutet, Filipino zu sein oder eben nicht. Aber es gibt auch die Kinder auf der anderen Seite.

Was meinen Sie mit „Kinder auf der anderen Seite“?

Die Kinder, die zu Hause geblieben sind, als ihre Eltern ins Ausland zum Arbeiten gingen. Meine daheimgebliebene Verwandtschaft denkt ganz anders über Heimat und Identität. Dass Heimat da ist, wo die Eltern sind, wird oft als selbstverständlich angesehen, ist hier eher nicht der Fall. Wie wächst man auf, wenn die Eltern und jede zweite Tante im Ausland sind? Viele Kinder erleben, dass ihre Eltern die Familie nicht unterstützen können, wenn sie auf den Philippinen bleiben. Deshalb denken sie, dass auch sie einmal irgendwann weggehen müssen. Heimat ist eben oft nicht der Ort, wo die Familie ist.

■  Janelle Dumalaon, Manila–Berlin