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Archiv-Artikel

Aktivisten der Hamas entführen einen Israeli

Palästinensisches Kommando überfällt israelischen Armeeposten im Grenzgebiet. Dabei werden zwei Soldaten und zwei Kämpfer getötet

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Aus Perspektive der Hamas-Kämpfer war es ein sensationeller Erfolg: Zum ersten Mal seit Beginn der Al-Aksa-Intifada vor sechs Jahren gelang am frühen Sonntagmorgen einer Gruppe von acht Palästinensern, vom Gaza-Streifen aus durch einen Tunnel auf israelisches Gebiet vorzudringen und einen israelischen Armeeposten anzugreifen. Zwei Soldaten wurden bei der Operation mit dem wenig verheißungsvollen Namen „Verblassende Illusion“ getötet. Ein Dritter blieb vermisst.

In einer ersten Bekennernachricht der Hamas war von der Leiche des Soldaten die Rede, in einer späteren Botschaft nur noch von „einem Soldaten“. Über seinen Zustand gaben die Aktivisten der islamistischen Regierungspartei keine weiteren Informationen bekannt. „Wir gehen davon aus, dass der Soldat am Leben ist“, verkündete Israels Stabschef Dan Chalutz.

Auf der Suche nach dem vermissten Soldaten drang die Armee mit zahlreichen Panzern und Bulldozern in den südlichen Gaza-Streifen vor, wo die Angreifer den Tunnel gegraben hatten. Das palästinensische Widerstandskomitee, Dachverband mehrerer bewaffneter Bewegungen, der militante Flügel der Hamas „Essedin el Kassam“ und eine dritte bislang unbekannte Gruppe namens „Islamische Armee“ übernahmen gemeinsam die Verantwortung für den Überfall. Grund für die Operation sei die Exekution des Kommandanten der Hamas-Sicherheitsbrigaden Jamal Abu Samhadan. Palästinensischen Informationen zufolge gelang sechs der acht Angreifer die Flucht. Zwei Palästinenser wurden erschossen.

Israels Premierminister Ehud Olmert machte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (Fatah) und die palästinensische Regierung für den „sehr schwer wiegenden Terrorangriff der Hamas“ verantwortlich. Olmert traf am Nachmittag Vertreter des Sicherheitsapparats, um über eine mögliche groß angelegte Operation zu beraten.

Der Zwischenfall ereignete vor dem Hintergrund der seit einer Woche andauernden Gespräche über die Bildung einer palästinensischen Regierung der nationalen Einheit. Grundlage der Verhandlungen ist ein 18 Punkte umfassendes Dokument, das inhaftierte Palästinenser aller Fraktionen ausgearbeitet hatten. Informationen von Verhandlungsdelegierten zufolge ist über 15 Punkten bereits eine Einigung erreicht worden. Umstritten zwischen Hamas und Fatah bleiben die Verteilung der Ministerposten sowie der Gewaltverzicht innerhalb Israels.

In den Reihen der Fatah wurde die Vermutung laut, dass der Angriff gezielt lanciert worden sei, um den Dialog scheitern zu lassen. Innerhalb der Hamas polarisieren sich die Positionen zunehmend. Während Premierminister Ismail Hanijeh offiziell auf einer Waffenruhe beharrt, kommentierte Sami Abu Suhri gestern, dass die Position der Regierung nichts mit der Realität gemein habe. Die Kämpfer hörten auf das Kommando der Führung im Ausland. Der in Damaskus ansässige „Hardliner“ Khaled Mashal gilt unverändert als der starke Mann der Bewegung.