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Archiv-Artikel

Kanada besteht auf Asbest-Exporten

Alle westlichen Länder haben Asbest verboten. Nur Kanada will den krebserregenden Baustoff weiter in die Dritte Welt verkaufen und boykottiert internationale Resolutionen. Damit will Kanada auch Schadensersatzansprüche vermeiden

VON DANIEL BÖHM

Die internationale Arbeitsorganisation ILO möchte Asbest weltweit ächten, scheitert aber an Kanada. Die Nordamerikaner weigern sich, die „Resolution zum Asbestverzicht“ zu unterzeichnen – während alle anderen westlichen Länder bereit sind, den giftigen Baustoff zu ächten. Grund für die kanadische Sondertour: Die Kanadier sind der weltgrößte Exporteur des krebserregenden Stoffes.

Asbest ist in Deutschland seit 1993 und in der Europäischen Union seit 2005 verboten – das gilt sowohl für die Herstellung wie für die Nutzung. Die Kanadier exportieren aber munter in die Dritte Welt. Daran ändert auch die ILO-Resolution nichts, die vor zwei Wochen mit einer klaren Mehrheit verabschiedet wurde. Ohne die Kanadier: Das Thema überschreite die Kompetenzen der ILO und stehe daher nicht zur Diskussion, argumentieren sie. Ohnehin ist die Resolution ein schwaches Instrument der ILO. „Weil diese nicht bindend sind, können die Kanadier ihren Asbest auch weiterhin exportieren“, erklärt ILO-Gesundheitsexperte Igor Fedotov gegenüber der taz.

Mehr als 230.000 Tonnen Asbest hat Kanada 2002 gefördert. Davon gingen rund 97 Prozent an Länder, die nicht gerade für einen vorsichtigen Umgang mit gefährlichen Materialien bekannt sind – wie etwa Indien, Thailand, Mexiko oder Peru. „Ein Skandal“, urteilt Jim Bophy von der kanadischen Anti-Asbest-Organisation Ban Asbestos. „Die Leute dort werden regelrecht vergiftet.“ In Indien etwa kommen rund 100.000 Arbeiter täglich mit der giftigen Substanz in Berührung. Das Land importiert 80.000 Tonnen pro Jahr und ist damit einer der Hauptabnehmer kanadischen Asbestes. Das feuerfeste Isoliermaterial ist auf dem Subkontinent allgegenwärtig, selbst Wohnhäuser werden mit Asbestbeton gebaut. Die indische Gesundheitsorganisation IAOH glaubt, dass durch Asbest Millionen von Indern krebsgefährdet sind.

Der kanadischen Asbestindustrie macht mit dem toxischen Exportgut jährlich mehrere 100 Millionen Dollar Gewinn. Zudem kann sie auf staatliche Unterstützung zählen, denn die kanadische Regierung sponsert die Asbest-Lobbyorganisation „Chrysotile Institute“ mit 775.000 Dollar pro Jahr. Weiter lassen sich Vertreter des Rohstoff-Ministeriums gerne auf Tagungen der Asbestlobby blicken.

Auch auf dem internationalen Parkett tut Kanada alles, um eventuellen Schaden von seiner Asbestindustrie fern zu halten. In den Jahren 2003 und 2004 verhinderte Ottawa, dass der Weißasbest „Chrysotil“ in die Liste der Rotterdamer Konvention aufgenommen wurde. Dort sind weltweit jene Stoffe aufgeführt, die nur unter strengsten Auflagen exportiert werden dürfen.

Der Engagement der kanadischen Regierung erstaunt, spielt doch die Asbestförderung eine eher marginale Rolle in der kanadischen Volkswirtschaft: Sie schafft nur rund 900 Arbeitsplätze. „Der Staat will die Industrie nicht hängen lassen“, erklärt Aktivist Bophy. Denn sollte sich Kanada zu einem Verbot durchringen, dann sähen sich die Behörden mit großen Folgeproblemen konfrontiert: Sie hätten zumindest implizit eingeräumt, dass Asbest schwer gesundheitsschädigend ist. „Auf die Regierung käme eine Welle von Schadenersatzforderungen zu“, sagt Bophy. Denn die Minenstädte in der Provinz Québec verzeichnen asbestbedingte Krebsraten, die zu den höchsten der Welt gehören.

Die Regierung selbst verteidigt ihre sture Haltung, indem sie behauptet, kanadischer Asbest werde auf „sichere“ Art gewonnen und eingesetzt. „Das ist Unsinn“, sagt Bophy. „Wer bitte soll überprüfen, ob das auch für Indien gilt?“

Mit dieser Meinung ist Bophy nicht allein. Mehrere Verbände und Gewerkschaften fordern ein Asbestverbot. Jetzt muss nur noch die Bevölkerung sensibilisiert werden. „Die meisten Kanadier haben nämlich keine Ahnung“, sagt Bophy. „Sie glauben, Asbest sei bei uns längst verboten.“